Düsseldorfer Einsatztrupp gegen die Unsicherheit Auf Streife am Brennpunkt Bahnhofsviertel

Düsseldorf · Die Gegend um den Bahnhof empfinden Bürger in vielen Städten als besonders unsicher. Drogen, Diebstahl, Pöbeleien sind keine Seltenheit, auch in Düsseldorf. Doch hier hält die Polizei dagegen - mit ihrem Einsatztrupp Prios. Wir haben die Beamten im Einsatz begleitet.

 Die Polizei will das Düsseldorfer Bahnhofsumfeld sicherer machen - und zeigt verstärkt Präsenz.

Die Polizei will das Düsseldorfer Bahnhofsumfeld sicherer machen - und zeigt verstärkt Präsenz.

Foto: dpa, frg fpt

Berta steht im Funk für den Buchstaben B, der im Polizeijargon "bekannt" heißt. Rund um den Hauptbahnhof ist Berta die gängige Antwort aus der Leitstelle, wenn die Beamten draußen Personalien prüfen.

Zum Beispiel am Mintropplatz. Direkt an der Unterführung hocken ein paar Männer und eine Frau, einer ist mit dem Fahrrad da, und sie trinken Billig-Bier aus Flaschen. Einer ist siebzig, die anderen sehen auch so aus, dabei sind sie gut 30 Jahre jünger. Bier und Drogen haben Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen. Berta sind alle: Drogen, Diebstahl, Sachbeschädigung steht in ihren Akten, das Standardprogramm in dieser Szene. Die Prios-Streife erteilt jedem einen Platzverweis.

Sie sollen am Tatort sein, wenn der Täter noch dabei ist, seine Tat zu planen, hat der damalige Polizeipräsident Michael Dybowski vor zwölf Jahren die Aufgabe des neu geschaffenen Einsatztrupps (ET) Prios formuliert. Der Name steht für "Präsenz und Intervention an Brennpunkten und offenen Szenen", und die Organisation als ET garantiert flexible Einsatzzeiten, unabhängig von den Schichten des Streifendienstes, und auch frei von dessen Alltagsaufgaben.

"Wir verstehen uns auch als Dienstleister fürs ganze Präsidium", sagt Dirk Schimanski, der Chef der Truppe. Die Drogenfahndung plant eine Razzia, das Kfz-Kommissariat ist einer Bande auf den Fersen, im Norden häufen sich Raubüberfälle oder in Oberbilk werden untergetauchte Straftäter vermutet - alles Fälle für Prios. Alle zwei Wochen wird der Prios-Dienstplan nach den Anforderungen anderer Dienststellen gestaltet. "Wir sind überall da, wo es brennt." Besonders oft fragt derzeit die Polizeiinspektion Mitte an. Oft wird Prios nachts in der Altstadt gebraucht und noch öfter eben in der Bahnhofsgegend, wo die Beamten verhindern wollen, dass sich die Drogenszene weiter ausbreitet.

"Schicken Sie bloß nicht die sympathischen Polizisten", hat von dort neulich ein Anwohner dem Polizeipräsidenten geschrieben. "Schicken Sie die Hundestaffel und Prios." Die Prios-Mannschaft (zu der, um keine Missverständnisse aufkommen lassen, auch Frauen gehören) kränkt das nicht. Sie wissen, was der Mann meint. "Es macht schon einen anderen Eindruck, ob da ein Streifenwagen kommt und zwei Leute aussteigen - oder drei Bullis mit 15 von uns", sagt Travis.

Heute Abend sind sie nur zu zehnt, Eindruck macht es aber trotzdem, als die Bullis auf den Worringer Platz fahren. Das ist so eine Ecke, an der sich ausbreitet, was die Polizei kriminalitätsfördernde Verwahrlosung nennt. So mancher hat das schon befürchtet, als der Platz aufwendig umgebaut und mit grünlichen "Stadtsofas" aus beleuchteten Glasbausteinen gestaltet wurde. Das geschah übrigens in dem Jahr, in dem auch Prios gegründet wurde, ein Zufall, über den man ins Grübeln kommen könnte.

Anderthalb Stunden vor Beginn des zweiten Deutschlandspiels der EM sitzen 34 Menschen auf der Bank. An deren unterem Ende hat einer den Stromkasten aufgebrochen, um an der städtischen Steckdose sein Handy aufzuladen. Stromdiebstahl, sagt Dirk Schimanski, ist nun wirklich nicht das Kerngeschäft von Prios. Wird aber natürlich trotzdem angezeigt.

Unmut macht sich auf der Bank breit, als die Prios-Polizisten sich davor aufstellen. Einem Mann mit Rucksack fällt ein, dass er jetzt dringend einen Döner essen gehen muss. Das darf er nicht. Und auch die Bierflaschen, die sie alle in Händen halten, müssen abgestellt werden. Während einer polizeilichen Maßnahme wird nicht getrunken, und es ist den Beamten auch ganz wichtig, dass ihr Gegenüber keine Glasflasche in der Hand hält. Man weiß ja nie. Die meisten sind schon lange nicht mehr nüchtern gewesen, einer reagiert auf jede Ansprache von Travis und seinen Kollegen derart aggressiv, dass sie seine Kontrolle vorziehen, bevor er hier noch alle aufmischt.

Im Fahrzeug prüft Verena die Papiere direkt am Laptop. Das spart Zeit. Berta, sagt sie meistens, wenn sie die Ausweise an ihre Kollegen gibt. Gegen den aggressiven Mann liegt gerade mal nichts vor, ihn schicken die Beamten als ersten weg. Ein Dunkelhaariger fällt durch seine Freundlichkeit auf. "Meine Herren Polizisten" sagt er lächelnd, und dass er - "leider, leider" - keinen Ausweis dabei hat. Palästinenser sei er , sagt er, und stolz darauf. Er sagt die Wahrheit. Das bestätigt Verena nach einem Fingerabdruck-Check. Darauf ist Prios stolz: Lange hatten sie ein so genanntes Fast-ID-Gerät gewollt. Nach dem Straßenkarneval, der wegen der Ereignisse der Silvesternacht unter besonderen polizeilichen Bedingungen gefeiert wurde, haben sie endlich eins bekommen. Seit sie nicht mehr mit jedem Kandidaten ohne Ausweis zur Wache müssen, sondern ihn direkt im Einsatz prüfen können, sind sie deutlich schneller.

An diesem Abend nutzt der Scanner diesbezüglich wenig: Zwar sind die Kontrollen zügig erledigt und 31 Platzverweise ausgesprochen worden. Aber drei der Männer müssen wegen offener Haftbefehle festgenommen werden. Das ist einerseits gut, sagt Schimanski. Andererseits ist mit den Gesuchten auch sein halbes Team erst einmal von der Straße - Festnahmen bedeuten Schreibarbeit, die nicht ans Schichtende geschoben werden kann. Also rollen zwei Bullis ins Polizeigewahrsam, und mit ihnen die kleinen Drogenpäckchen, die Verena vom Boden aufgesammelt hat. Einer der Festgenommenen hat eine größere Portion Heroin freiwillig abgegeben. Also sind heute auch noch ein paar Betäubungsmittel-Anzeigen fällig.

Glücklicherweise geschieht das fast zeitgleich mit zwei anderen Ereignissen, die sich auf die Straßenlage auswirken: Das zweite Deutschland-Spiel der EM beginnt, und starker Regenfall setzt ein. Düsseldorfs City ist wie leergeschwemmt, und da reicht auch ein Prios-Team um Präsenz zu zeigen. Zu viert kontrollieren sie zwei Parkhäuser, in denen Dealer und Drogensüchtige sich gerne aufhalten. Blutschmierer an Treppenhaustüren und Fäkalien an den Wänden sind heute die einzigen Spuren.

 Die Beamten bestehen darauf, dass der Süchtige seinen Müll wegräumt.

Die Beamten bestehen darauf, dass der Süchtige seinen Müll wegräumt.

Foto: Stefani Geilhausen

In einem Rheinbahn-Wartehäuschen sitzen ein paar der Männer, die sie vom Worringer Platz verwiesen haben. Irgendwo müssen sie ja hin, sagt Travis. So lange sie keinen Ärger machen. Auf der Bendemannstraße sitzt eine Frau schutzlos im strömenden Regen und drückt sich eine Nadel in den Arm. Travis und Frank fordern sie auf, Müll und Spritze zu entsorgen. Das ist unter anderem, was die Anwohner hier so stört. Nächste Woche gehe sie in den Entzug, erzählt die 37-Jährige den Polizisten. Viel Glück, sagen die. Wie beim letzten Mal.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort