Düsseldorf Alle wollen den Insekten helfen

Düsseldorf · Umweltverbände schlagen Alarm wegen des Insektensterbens. Der Stadtrat beantragte am Donnerstag, dass mehr für die Tiere getan werden soll.

 Naturschützer Michael Schoch empfiehlt Tütchen mit insektenfreundlichen Pflanzensamen - und wilde Hecken, in denen sich die Tiere wohlfühlen.

Naturschützer Michael Schoch empfiehlt Tütchen mit insektenfreundlichen Pflanzensamen - und wilde Hecken, in denen sich die Tiere wohlfühlen.

Foto: Anne Orthen

Es gab gar nicht den einen Moment, an dem Michael Schoch das Insektensterben bemerkte. "Es war ein schleichender Prozess", sagt der 34-jährige Biologe. "Ich habe festgestellt, dass ich die Fenster im Sommer länger offen lassen kann, ohne dass viele Insekten hereinfliegen. Oder dass ich nach einer Autofahrt keine Insektenmassen mehr von der Windschutzscheibe kratzen muss."

Schoch arbeitet beim Landesverband des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Dieser warnt schon seit langem vor einem Insektensterben. Der Düsseldorfer Stadtrat ist ebenfalls alarmiert: Der Umweltausschuss beauftragte gestern mit den Stimmen aller Mitglieder die Stadtverwaltung. Sie soll nach Wegen suchen, wie den Tieren in Düsseldorf geholfen werden kann. Die Linkspartei hatte den Antrag gestellt.

Eine Studie von Krefelder Biologen hatte im vergangenen Jahr die Fachwelt besorgt. Der Entomologische Verein wies nach, dass der Bestand in den vergangenen 27 Jahren um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist. Die Naturwissenschaftler hatten dafür jahrelang an mehr als 60 Standorten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz und Brandenburg spezielle Insektenfallen aufgestellt, sogenannte Malaise-Fallen - und immer weniger Tiere gefangen. Es drohen Folgen auch für viele andere Tierarten, unter anderem Vögel. "Der Befund ist alarmierend. Denn Insekten sind die Basis für alle ökologischen Prozesse", sagt Nabu-Biologe Michael Schoch.

Die Gründe für das massive Insektensterben sind unklar, auch nach der Studie der Krefelder Insektenforscher."Es deutet vieles darauf hin, dass die intensivierte Landwirtschaft durch Monokulturen oder den zunehmenden Einsatz von Spritzmitteln nicht unschuldig ist", sagt Schoch, der sich als Jung-Imker mit Bienen und Wildbienen beschäftigt. "Das Problem für Insekten ist, dass die Nahrungsaufnahme umso schwieriger ist, je blütenärmer die Landschaften sind", sagt der 34-jährige Düsseldorfer.

Der Umweltausschuss hofft auf Ideen, wie konkret in Düsseldorf etwas getan werden kann. "Wir wollen alle helfen", sagte Iris Bellstedt (Grüne). Umweltdezernentin Helga Stulgies kündigte an, man werde sich um das "wichtige Thema" in den nächsten Monaten kümmern. Eine erste Reaktion gab sie schon bekannt: Der städtische Umweltpreis soll in diesem Jahr an ein Projekt gehen, das sich für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzt.

Wie zu hören ist, will das Umweltamt nach Grünstreifen in öffentlichen Anlagen suchen, die man für Insekten verwildern lassen kann - in den viel genutzten Parks drohen dabei allerdings Konflikte. Zudem könnten Saatmischungen für Bürger bereitgestellt, außerdem Schulen und Kindergärten für das Thema sensibilisiert werden. Auch auf Landwirte will man zugehen.

Schoch appelliert an alle Düsseldorfer, die über einen Garten oder Balkon verfügen. Diese könnten ohne viel Mühe etwas tun: "Die Menschen müssen ihre Gärten wieder mutiger und vielfältiger und nicht nur mit Bux- und Tannenbäumen gestalten. Oder auch ein Stück des Gartens einfach wild wachsen lassen." Es gebe viele insektenfreundliche Pflanzen. Er nennt Glockenblumen, den Natternkopf, die Königs- oder Nachtkerze, die wilde Möhre oder die Zaunrübe, die allerdings giftig ist.

Der Umweltverband gib Interessierten Tipps - und hofft darauf, dass sich die Menschen nicht davon abschrecken lassen, dass es im Sommer wieder surrt. Für Schoch ist die Sache eindeutig: "Ich habe lieber eine Artenvielfalt im Garten und nehme dafür notfalls eine leichte Insekten-Plage in Kauf."

(arl, ate)
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