Marcel Preukschat "Alle Kita-Jahre müssen beitragsfrei sein"

Düsseldorf · Der Vater von zwei Kindern ist erneut zum Sprecher der Düsseldorfer Kita-Eltern gewählt worden. Er hält es für richtig, dass Eltern einen Betreuungsplatz verlieren, wenn sie ihn nicht innerhalb von 14 Tagen zusagen, und fordert mehr Erzieher in den Tagesstätten.

 Marcel Preukschat lebt mit seiner Frau Victoria und den Töchtern Mathilda (6) und Viola (3) in Oberkassel.

Marcel Preukschat lebt mit seiner Frau Victoria und den Töchtern Mathilda (6) und Viola (3) in Oberkassel.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Glaubt man der Stadt, steht Düsseldorf beim Thema Kita-Plätze gut da. Die Zahl der Plätze und Standorte steigt von Jahr zu Jahr, Tagesmütter sorgen für zusätzliche Entlastung, Klagen von Eltern, die bei der Platzvergabe leer ausgehen, gibt es bislang nicht. Ist Düsseldorf ein Betreuungsparadies?

Preukschat Die Stadt macht hier unter dem Strich einen guten Job. Im westdeutschen Vergleich steht Düsseldorf mit einer Betreuungsquote von gut 45 Prozent bei den unter Dreijährigen gut da.

Gemessen an den Vormerkungen im Kita-Navigator warten mindestens 1400 Mütter und Väter bislang vergeblich auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. Diese Eltern haben weder eine Kita noch eine Tagesmutter. Man könnte das eine veritable Versorgungslücke nennen.

Preukschat Sicher. Die Stadt hinkt tatsächlich hinterher, weil immer mehr junge Familien mitsamt Nachwuchs in die Stadt ziehen. Das ist gut für Düsseldorf, es reißt aber immer wieder neue Lücken zwischen Angebot und Nachfrage. Allein im laufenden Kita-Jahr sollen 15 neue Kitas beziehungsweise Kita-Dependancen an den Start gehen. Ich weiß nicht, ob man hier das Tempo noch einmal steigern kann.

Gesteuert wird die Platzvergabe über den Kita-Navigator, der im Internet von jedermann aufgerufen werden kann. Der ist von anderen Städten kopiert worden, andere Kommunen halten nicht viel davon. Wie ist Ihre Einschätzung?

Preukschat Für eine Großstadt wie Düsseldorf ist das eine gutes Instrument. Die Alternative wäre ja, wie in kleineren Städten durchaus üblich, mit Zetteln zu arbeiten. Das würde sicher nicht besser funktionieren als der Navigator.

Einige Eltern sind so dringend auf einen Platz angewiesen, dass sie sich "nur zur Sicherheit" in 20 Kitas vormerken lassen. Motto: egal, wo im Stadtgebiet, Hauptsache ein Platz.

Preukschat Das gibt es, aber es sind Einzelfälle. Um das zu steuern, hat das Jugendamt die Fristen im Vergabeverfahren jetzt verschärft. Wer eine Zusage hat, muss innerhalb von 14 Tagen den Platz annehmen. Sonst verfällt er. Das halte ich für einen guten Ansatz.

Frühestmögliche Betreuung liegt im Trend. Alleinerziehende brauchen sie, Ehepaare, bei denen ein Einkommen allein nicht reicht, auch. Hinzu kommen Karrieremenschen, die fürchten, den Anschluss im Job zu verlieren. Immer mehr Eltern lassen den Nachwuchs deshalb schon nach wenigen Monaten ganztägig betreuen. Kritiker wenden ein, dass wir erst in zehn oder fünfzehn Jahren sehen werden, ob das wirklich kindgerecht ist oder ob die notwendige Bindung an ein Elternteil am Ende doch leidet.

Preukschat Wirklich wissen werden wir das tatsächlich erst in einigen Jahren. Meine Frau und ich haben uns für eine Betreuung ab drei Jahren entschieden. Ab zwei halte ich es grundsätzlich für nicht so problematisch. Davor hängt es sehr vom Kind und natürlich von der Qualität der betreuenden Einrichtung und der Erzieher ab. Einfach ist diese Entscheidung jedenfalls nicht.

Bundes- und landesweit gibt es eine Debatte über eine drohende oder tatsächliche Unterfinanzierung der Kitas. Tenor: Der Ausbau schreitet voran, die Qualität leidet. Am Ende würden Kinder mehr verwahrt als erzogen.

Preukschat Das ist mir zu pauschal. Es mag Kommunen mit knapper Finanzdecke geben, in denen eine solche Tendenz erkennbar ist. Ich kann nicht für insgesamt 360 Tagesstätten in Düsseldorf die Hand ins Feuer legen, aber insgesamt ist mein Eindruck positiv. Die meisten Kitas sind gut ausgestattet, unter den neueren Bauten finden sich richtige Vorzeige-Einrichtungen. Und wo mal ein rostiges oder defektes Kletter-Gerüst partout nicht ausgetauscht wird, hilft es meist, den Elternbeirat der Kita vor Ort anzusprechen. Wenn es dann immer noch hakt, klemmen wir uns als stadtweiter Elternbeirat des Jugendamtes gerne dahinter.

Apropos Vorzeige-Kitas. Weil Plätze fehlen, gibt es in Düsseldorf eine Reihe privat-gewerblicher Einrichtungen. Die werben mit veganem Essen, Apps, die zeigen, ob die lieben Kleinen auch brav gefuttert haben und Chinesisch ab dem dritten Lebensjahr. Kommt nach der Zwei-Klassen-Medizin nun die Zwei-Klassen-Kita-Gesellschaft?

Preukschat Ich habe nichts gegen solche Angebote. Auch nicht dagegen, dass Eltern, die das können, dort mehrere hundert Euro pro Monat zahlen. Aber solche Einrichtungen können nicht die öffentlich geförderte Grundversorgung durch Stadt und freie Träger ersetzen.

Die Stadt übernimmt ja schon mal die Differenz zwischen den üblichen, einkommensabhängigen Gebühren und den dort üblichen Preisen. Auch um drohende Klagen frustrierter Eltern, die einen Rechtsanspruch auf einen Platz haben, abzuwenden. Das Ganze kostet die Kommune aktuell rund zwei Millionen Euro im Jahr.

Preukschat Was ja nur mein Argument bestätigt, dass solche Angebote kein Ersatz für öffentlich geförderte Einrichtungen sein dürfen.

Und Betriebs-Kitas?

Preukschat Sind gut. Dürfen aber nicht vom Arbeitgeber dazu genutzt werden, eine Mutter oder einen Vater zur Ganztagsstelle zu drängen. Frei nach dem Motto: Wir brauchen Dich an Deinem Platz, im Zweifel auch mal bis in den Abend hinein. Um die Betreuung musst du Dir ja bei uns keine Gedanken machen.

Wie hat das denn der Sprecher der Düsseldorfer Kita-Eltern bei sich zuhause organisiert?

Preukschat Als Diplom-Informatiker arbeite ich bei IT NRW als IT-Architekturberater auf einer 75-Prozent-Stelle, also 30 Stunden pro Woche. Meine Frau Victoria ist als Psychotherapeutin der Neonatologie der Kaiserswerther Diakonie beschäftigt. Sie füllt aktuell eine 40-Prozent-Stelle aus.

Warum haben Sie Ihre Stundenzahl reduziert?

Preukschat Weil ich Freude am Umgang mit meinen Kindern habe, weil ich sehen will, wie sie groß werden. Weil ich nicht nur ein Samstags- und Sonntags-Papi sein will.

Sie sind auch in der NRW-weiten Vertretung der Kita-Eltern engagiert. Was erwarten Sie vom Land?

Preukschat Einen besseren Personal-Schlüssel, das heißt mehr Erzieher pro Gruppe.

Das alles muss finanziert werden. In Düsseldorf ist die Idee von Oberbürgermeister Thomas Geisel, die Beitragsfreiheit für alle Ü3-Kinder aufzugeben, krachend gescheitert. Alle Parteien, auch die SPD, haben den Rathaus-Chef abblitzen lassen. Nur einige freie Träger wie die Diakonie standen am Ende noch hinter ihm.

Preukschat Gut, dass diese Pläne gescheitert sind. Ich fordere im Gegenteil eine komplette Beitragsfreiheit auf Bundesebene. Es kann nicht sein, dass man in Düsseldorf nichts bezahlt und ein paar Kilometer weiter für einen Platz mehrere Hundert Euro berappen muss. Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wie bei den Schulen von allen getragen werden sollte.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE JÖRG JANSSEN.

(RP)
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