Serie So wohnt Düsseldorf "Ästhetik des Einfachen" - Eine Oase in Flingern

Düsseldorf · In einem Hinterhof, in direkter Nachbarschaft zu einem Supermarkt, baute ein Architekt für seine Familie mit der "Ästhetik des Einfachen".

Haus im Hinterhof - Eine Oase in Flingern
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Haus im Hinterhof - Eine Oase in Flingern

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der schönste Moment ist immer, wenn Besucher zum ersten Mal durchs Tor treten und staunend stehenbleiben. Nein, diese Oase würde man nicht erwarten, nicht hier. Auch Beate Tebartz und Oliver Konrath - sie Grafik-Designerin, er Architekt - muss es damals so ergangen sein, als sie dieses Grundstück zum ersten Mal sahen: ein Hinterhof in Flingern, im weniger attraktiven Teil des Viertels, an der Rückseite eines Supermarkts, rundum von Nachbarhäusern umgeben. Was ihnen zu dieser Ausgangs-Situation eingefallen ist, hat ihnen einige Architekturpreise beschert. Und ein ganz spezielles Wohngefühl.

Alte Brandmauer ist die Grundstücksgrenze

Sie hatten schon lange nach einem Bauplatz gesucht. Dann fanden sie 2006 dieses Grundstück an der Gaußstraße, auf dem früher mal ein Metallbetrieb mit seinen Verwaltungsgebäuden stand. Dazwischen ein verwilderter Garten mit ein paar Birken, im Keller soll der erste Probenraum der "Toten Hosen" gewesen sein. Die Grundstücksgrenze ist eine alte Brandmauer, Außenwand eines Supermarkts. Sie hat Oliver Konrath zu der Idee inspiriert, ein langgestrecktes Haus in den Hinterhof zu bauen, dessen Rückseite sich an die Brandmauer lehnt.

Zur Gartenseite aber gibt sich dieses Haus offen, denn die Fassade ist zumindest im Erdgeschoss vollständig verglast. "Das bedeutet, dass der Garten ein Teil des Hauses wird - und umgekehrt", erläutert Oliver Konrath und schiebt zwei Raum hohe, gläserne Schiebetüren auf. Eine Geste, die sofort den Eindruck vermittelt, man würde nicht mehr im Haus, sondern auf einem überdachten Terrassenplatz sitzen.

Das bedeutet aber auch, dass jeder von draußen reinschauen kann, zumal in den ehemaligen Büros des Metallbetriebs nun das Architekturbüro von Oliver Konrath und seinem Partner untergebracht ist. Mitarbeiter und Kunden spazieren direkt an Küche und Wohnraum vorüber, sitzen mittags im Innenhof. Auch die Nachbarschaft hat freie Einblicke, zumal wenn das Haus am Abend beleuchtet ist. "Das muss man mögen", meint Beate Tebartz, "wir haben damit kein Problem."

Wirkung durch schlichte Materialien

Einig war sich das Paar auch über das Innenleben ihres Hauses. Über die "Ästhetik des Einfachen", über die Oliver Konrath vermutlich Vorlesungen halten könnte und die er konsequent in die Tat umgesetzt hat. "Ich wollte zeigen, welche Wirkung man mit schlichten Materialien erzielen kann." Und wie wirtschaftlich es sich mit ihnen bauen lässt. Beides ist gelungen: Das Haus - in nur sieben Monaten bezugsfertig - kostete rund 250 000 Euro. "Das war auch vor neun Jahren schon extrem günstig."

Die Ästhetik des Einfachen im Detail: Die Rückwand des Hauses besteht aus industriell vorgefertigtem Sichtbeton - "eigentlich ein ruppiges Material, dass man gern für Tiefgaragen verwendet." Auf Putz oder gar Anstrich wurde verzichtet, trotzdem wirken diese Wände keineswegs unfertig. Ein weiterer Vorteil: Sie müssen nie renoviert werden.

Nur zwei Türen im Erdgeschoss

Dazu als wärmenden Kontrast ein dunkles Industrieparkett aus geräucherter Eiche. "Das kostet etwa die Hälfte von üblichem Parkett", so der Bauherr. Vier Stützpfeiler tragen die Decke, die leicht über die Fassade ragt - als würde sie schweben. Ein weiteres Element: die großen Glasflächen, die von Standard-Aluminiumrahmen gehalten werden. Nur zwei Türen gibt es im Erdgeschoss: zum Gäste-WC und zu einem Abstellraum, die übrige Fläche von 85 Quadratmetern bietet Platz fürs Arbeiten (hier ist das Büro von Beate Tebartz) Kochen, Essen, Wohnen, lediglich weiße Einbaumöbel teilen den Raum.

Dasselbe Prinzip gilt in der ersten Etage, die von außen mit Lärchenholz umhüllt ist, mit der offenen Bibliothek, Bad und zwei Kinderzimmern. Für Sohn und Tochter (12 und 10) wurden allerdings nachträglich Türen eingebaut, als sie sich mehr Privatsphäre wünschten. Und dann setzte Konrath noch ein Schlafzimmer aufs Flachdach, Rückzugsort für sich und seine Frau - mit Blick in den Garten. Auf einen Teich mit Bambus, eine blühende Magnolie und die beiden Kaninchen Hoppel und Flöckchen. Kein Großstadt-Geräusch stört in diesem Hinterhof die Stille - mitten in Flingern.

(RP)
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