Serie Düsseldorfer Geschichten Abtauchen für die Feuerwehr

Düsseldorf · Das Atemgerät ist bereits mit dem Tarierjacket und den beiden Pressluftflaschen verbunden. Alles steht sicher in einer Spezialvorrichtung des Gerätewagens der Wasserrettung und ist einsatzbereit. Derweil ziehen sich drei Männer um und zwängen sich in sieben Millimeter dicke Neoprenanzüge. Das ist ziemlich mühsam.

Die Rettungstaucher der Feuerwehr
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Die Rettungstaucher der Feuerwehr

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Die Füßlinge angezogen, die Kopfhaube übergestülpt, Kompass und Tauchcomputer ums Handgelenk befestigt - es passt alles. Nun drehen die drei Männer ihre Pressluftflaschen auf, kontrollieren noch einmal Luft und Finnimeter. Jetzt noch die Handschuhe anziehen, dann die Weste mit dem Atemgerät und den Flaschen anlegen. Flossen und Taucherbrille, im konkreten Fall eine Vollgesichtsmaske, in der Hand, geht es langsam zu Fuß die wenigen Meter zum Wasser.

So beginnt die Übung der Rettungstaucher der Düsseldorfer Feuerwehr. Ein Routine-Gang, den die Wehrmänner alle vier bis fünf Wochen wiederholen. Die 41 Männer bei der Berufsfeuerwehr sind allesamt erfahrene Taucher. Denn sie mussten 50 Tauchgänge absolvieren, bevor sie die Prüfung zum Feuerwehrtaucher ablegen konnten. Doch ihre Unterwassergänge haben mit denen der Sport- oder Urlaubstauchern nur wenig gemein.

Bei dieser Übung geht nur einer der Taucher ins Wasser. Aber er ist nicht allein. Sein Buddy ist die Signalleine, an der sich der Taucher festhält, und der dazugehörige Signalmann. So steht der Taucher unter Wasser mit dem Mann am Ufer immer im direkten Kontakt. Dabei gibt es für die Kommunikation verschiedene Signalzeichen: Zweimal Ziehen bedeutet nach links, dreimal nach rechts. Und ein einziger Zug ist das Notsignal. Der dritte Mann ist der Tauchführer, der den Einsatz leitet, in unserem Fall Dennis Pries. Das Quartett vervollständigt der Sicherungstaucher, der sofort zur Stelle ist, falls eine Notlage eintritt.

Der Kontakt am Seil ist wichtig. Lebenswichtig. Denn in den Düsseldorfer Gewässern herrscht keine gute Sicht. "Oft ist es gerade mal die eigene Hand vor Augen, die man sieht", sagt Ingo Hansen. Er ist der neue Chef der Düsseldorfer Taucherstaffel der Feuerwehr - ein erfahrener Taucher.

Der 48-Jährige war Schiffstechniker bei der Marine und hat Schiffe repariert (unter Wasser), ehe er vor 20 Jahren zur Düsseldorfer Feuerwehr kam und sich dort gleich fürs Tauchen entschied. Vor zehn Jahren wurde er Lehrtaucher, 2010 Leitender Lehrtaucher, seit Mai ist er Chef.

Gemeinsam mit Lehrtaucher Christian Ruda und Tauchführer Dennis Pries beobachtet er den Übungstauchgang am Elbsee. "Von den aktuell 41 Tauchern bei der Berufsfeuerwehr haben vier immer den 24-Stunden-Dienst", erklärt Hansen, während die drei Feuerwehrmänner längst in den Tiefen des Wassers verschwunden sind und nur noch ihre Luftblasen an der Seeoberfläche zu erkennen sind - rund 30 Meter vom Ufer entfernt.

Mindestens 20 Minuten müssen sie unter Wasser bleiben, solange wie bei einem Ernstfall. "In Ausnahmefällen bleiben die Taucher auch mal 30 Minuten unten", sagt Hansen. Er nennt dafür ein Beispiel. Es war ein Unglück, das vor vier Jahren passierte, und das ihn heute noch sehr berührt. Damals war ein 13-jähriger Junge aus Norwegen, der nicht schwimmen konnte, bei einer Tretbootfahrt auf dem Unterbacher See ins Wasser gestürzt. "Wir haben stundenlang gesucht. Insgesamt waren 13 Tauchergruppen im Einsatz", erinnert er sich.

Einsatzleiter Pries war damals ebenfalls im Einsatz. 22 Tauchgänge hat die Feuerwehr benötigt, um den Jungen zu finden. "Ich war genau an der Stelle, an der er untergegangen ist, aber zu tief, er ist langsamer abgesackt, als wir dachten", erinnert er sich. Und nach einer Pause meint er: "Es ist immer am schlimmsten, wenn es sich um Kinder handelt." Sein Chef nickt zustimmend. Taucherstaffeln aus der Umgebung, von Hilden, über Neuss bis Duisburg haben damals geholfen, bis nach mehr als sechs Stunden die Leiche des Jungen gefunden wurde. Die Lands-krone im Hofgarten haben die Rettungstaucher vor zweieinhalb Jahren abpumpen lassen, um einen Jugendlichen zu finden.

Schützenhilfe aus dem Umkreis gab es auch vor acht Wochen bei dem Unglück in Eller am Zamek-See. Dort fanden letztlich Kollegen der Polizei die Leiche eines 29-Jährigen nach mehreren Stunden. "Aber wir sind eigentlich nicht dafür da, um Tote zu bergen, wir wollen schließlich Leben retten", sagt Hansen und erklärt, dass ein Mensch zehn Minuten unter Wasser bleiben kann, ohne dass er Schäden davon trägt. "Doch wenn wir Stunden suchen, kennen wir den Ausgang."

Die Einsätze seiner Rettungskräftig sind vielseitig. Sie gehen bei jedem Wetter in die Düsseldorfer Seen - von Angermund über das Hafenbecken bis hin zum Unterbacher See. Eistauchen im Winter steht ebenso auf dem Plan wie Rettungen bei eisigem Wasser. Dann allerdings nicht im Neoprenanzug, sondern im mehr Wärme spendenden Trockenanzug.

Die ungewöhnlichste Geschichte in den Augen Hansens passierte allerdings vor knapp zehn Jahren. Im November 2007 raste ein BMW-Fahrer mit hoher Geschwindigkeit in den Rhein. Der Fahrer beging Selbstmord und wollte seine Frau mit in den Tod stürzen. Doch die Insassin überlebte. "Sie hat im Auto solange gewartet, bis der Wagen mit Wasser voll gelaufen war. Erst dann öffnete sie die Beifahrertür und schwamm nach oben", erinnert er sich. "Es weiß kaum jemand, dass man sich so verhalten soll", meint er voller Bewunderung. Christian Ruda ergänzt: "20 bis 30 Meter wurde sie abgetrieben. Doch sie überlebte."

Und auch für solche Fälle sind die Feuerwehrtaucher ausgebildet - als Strömungsretter. Denn gerade im Rhein kommen die Strömungsretter, dann mit Schwimmweste ausgerüstet, häufig zum Einsatz. Leider müssen auch allzu oft "Brückenspringer" aus dem Strom gerettet werden, und im Sommer nutzen viele den Fluss, um sich abzukühlen oder zu schwimmen. "Dabei unterschätzen sie immer wieder die Strömung und die Unterströmungen an den Kribben", sagt Hansen.

Aber auch bei Havarien kommt sein Team zum Einsatz.

Inzwischen sind die drei Männer wieder aufgetaucht. Langsam kommen sie ans Ufer. Etwas mehr als 20 Minuten waren sie unter Wasser, bis zu einer Tiefe von 19 Metern. Während es an der Oberfläche mit 22 Grad relativ warm war, herrschte am Grund eine Wassertemperatur von gerade mal sieben Grad. Eine Temperatur, bei der normalerweise der Trockenanzug zum Einsatz kommt.

Das geschieht bei der nächsten Übung, meint Hansen lächelnd, der selbst nur noch selten taucht. Zuletzt war es im Urlaub der Fall. Dies sei für ihn ungewohnt gewesen - ohne Leine, mit guter Sicht und einem Buddy neben sich.

(RP)
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