Düsseldorf 20 Jahre Apollo

Düsseldorf · Am Dienstag feiert das Varieté seinen Geburtstag mit einer großen Gala. Unsere Autorin hat persönliche Erinnerungen an zahlreiche Shows niedergeschrieben.

 Das Solo-Programm von Chansonnier Tim Fischer 2004 war eingebettet in eine artistische Show. Das Beste, was je im Apollo zu sehen war.

Das Solo-Programm von Chansonnier Tim Fischer 2004 war eingebettet in eine artistische Show. Das Beste, was je im Apollo zu sehen war.

Foto: Bretz, Andreas

Er werde mal unter der Brücke landen, habe seine Mutter ihn immer wieder gemahnt. Schon hunderte Male hat Bernhard Paul diese Geschichte erzählt, und er wird sie vermutlich auch am Abend bei der großen Jubiläums-Gala wieder erzählen und damit die Lacher auf seiner Seite haben. Denn sein berühmtes Apollo-Varieté steht ja tatsächlich unter einer Brücke - der Rheinkniebrücke. Ein extravaganter Glasbau des Architekten Niklaus Fritschi. Zu dem erzählt der Wiener Bernhard Paul auch gern eine andere Geschichte, die es vielleicht ebenfalls wieder zu hören geben wird. Dass er nämlich zur Eröffnung - auf den Tag genau heute vor 20 Jahren - vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau einen Umschlag erhalten habe: "Da war die Baugenehmigung drin." Dabei hatte die damalige Oberbürgermeisterin Marlies Smeets - die übrigens kaum eine Premiere versäumt - bereits Ende 1996 den Grundstein gelegt. Nur neun Monate dauerte danach die Bauzeit bis zu der festlichen Eröffnung mit einer großen Gala-Premiere.

 Apollo-Gründer Bernhard Paul (l.) mit Johannes Rau

Apollo-Gründer Bernhard Paul (l.) mit Johannes Rau

Foto: fOTO. aPOLLO

Entstanden ist ein eigenwilliges Haus - oben der Balkon mit Klappsitzen wie im Kino, unten der Saal mit den Sechser-Tischen, an denen diniert werden kann. Inzwischen gibt es im Apollo Drei-Gänge-Menüs, wobei der Hauptgang während der Pause eingenommen wird. Insgesamt finden hier 500 Zuschauer Platz. Seit der Eröffnung haben in dem Varieté-Haus 6500 Shows stattgefunden mit insgesamt 117 unterschiedlichen Programmen. Rund 2,5 Millionen Besucher haben diese im Laufe der Jahre verfolgt. Es gab zahlreiche Höhepunkte, aber auch den einen oder anderen Tiefpunkt.

Es hat sich Vieles verändert in den 20 Jahren, und zahlreiche Besonderheiten hat es auch gegeben. So trat damals im Eröffnungsprogramm ein - noch - ziemlich unbekanntes Duo auf: Jigalow & Kolomiets, die mit einer Music-Clownerie begeisterten. Heute ist Andrej Jigalow ein Star, ausgezeichnet mit dem Silbernen Clown von Monte Carlo. Er wurde frenetisch im Zirkus Roncalli bejubelt, dem großen Bruder des Apollo-Varieté. Gefeiert wurde auch Peter Shub, der in einem Programm im Juni 2011 den Roten Faden bildete. Der Clown besticht immer wieder durch seine Komik - wenn er beispielsweise verbissen mit einem Fotostativ kämpft. Legendär auch seine Nummer mit den Hund an der Leine - der gar nicht da ist. Shub braucht für seine Auftritte keine Verwandlung, kein Kostüm. Lediglich ein Hut ist sein Markenzeichen.

 Fast schwerelos: Die anmutige Shannon mit der Kugelnummer (2012) hoch oben an der Decke

Fast schwerelos: Die anmutige Shannon mit der Kugelnummer (2012) hoch oben an der Decke

Foto: Andreas Endermann

Das galt auch für den "Mann mit dem Hütchen": Konrad Thur. Der kleine Akrobat, gebürtiger Düsseldorfer, feierte als Thurano sogar seinen 95. Geburtstag im Apollo und wurde begeistert gefeiert - auch vom damaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück. Thurano war bis zu seinem Tod 2007 der älteste aktive Seilartist der Welt. Seine Karriere hatte 1927 im ersten Apollo begonnen, das als neobarocker Prachtbau an der Kö stand und 1899 eröffnet worden war. Bis zum Ersten Weltkrieg erlebte das Apollo eine wahre Blütezeit. 1959 schloss sich dort der Bühnenvorhang für immer.

Wie in den 20er Jahren gab es auch im neuen Apollo anfangs ein Nummern-Girl. Janine Halene (1,76 Meter groß, 1,04 Meter lange Beine) schritt in fescher Uniform und mit einem großen, goldenen Stern in den Händen vor jeder neuen Nummer über die Bühne. Heute sind es Tänzerinnen, mit wenig Stoff bekleidet (ohne Nummern), die das Intermezzo bilden - und meist nicht zu Livemusik wie früher. Die gibt es ohnehin nur noch selten. Bernhard Paul drohte sogar, das Varieté zu schließen, als 2012 stark steigende Gema-Gebühren drohten. Er wetterte laut, und der Streit ging gut aus: Mit anderen Varieté-Leitern konnte er die Gema überzeugen, ihre Tarifreform zu überdenken. Der Verband, der die Rechte von Komponisten vertritt, kam den Varietés deutlich entgegen.

 Verzauberte 2016 die Zuschauer: der Magier Mike Chao mit seiner poetischen Show

Verzauberte 2016 die Zuschauer: der Magier Mike Chao mit seiner poetischen Show

Foto: Ralf Schütt

Zu den weniger gelungenen Momenten gehörte der Auftritt Jan Beckers. Der Mentalist hatte beim Besuch unserer Zeitung im Apollo eine Treffer-Quote von weniger als 50 Prozent. Dabei soll er doch Gedanken lesen können, als Magier bezeichnet er sich auch. Und apropos Magier: Die Zauberer sind rar geworden. Früher gab es eine Show unter dem Titel "Magic", da traten fast nur Zauberer auf. Wunderbar war auch die poetische Nummer des Taiwanesen Mike Chao, der Ende 2016 verzauberte. Er zeigte Tricks, die noch nie im Apollo zu sehen waren. Mit eleganter Selbstverständlichkeit ließ er Karten zu Bällen und Bälle zu Karten werden.

Weniger romantisch waren die beiden Burlesque-Shows. Im August 2010 gab sich Honey Lulu zwar noch ironisch in einer Teetasse - eine Persiflage auf die Show von Burlesque-Queen Tita von Teese, doch die anderen Nummern waren fade. Wie auch im Januar 2016, als Luise de Ville versuchte, die Teese mit ihrem Auftritt zu kopieren. Leider misslungen.

Grandios dagegen die Sorellas, ein männliches Trapez-Duo. Anmut, Präzision, Perfektion. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, treten Christoph Gobet und Rodrique Funke heute wegen eines Rückenleidens von Funke leider nicht mehr auf. Doch die Sorellas brachten bei ihrem zweiten Gastspiel im Apollo einen kleinen Superstar mit: Carlos, eine französische Bulldogge, die mit Strasshalsband und Leopardenmäntelchen über die Bühne flitzte und durch einen Reifen sprang. Es soll Mitarbeiter beim Apollo geben, die sich wegen Carlos die Show mehr als ein dutzend Mal angeschaut haben.

Aber auch wegen Tim Fischer. Ihn hatten die Sorellas 2004 überredet, im Apollo aufzutreten. Und es war die wohl beste Show, die je unter der Brücke zu sehen war. "Ich hab' ins Paradies gesehen", dieser Titel ist wörtlich zu nehmen. Der Chansonnier Fischer trug aufwendige Paillettenkleider, auf Taille geschnitten, dazu voluminöse Kopfbedeckungen. Wenn er im schwarzen Federkostüm "Flieg schwarzer Vogel" sang, war das so wunderbar, dass allein die Erinnerung vielen Besuchern noch heute Gänsehaut verursacht. Ein Soloprogramm, eingebettet in eine artistische Show, das seinesgleichen sucht.

Robert Kreis ließ die 20er und 30er Jahre im Apollo aufleben Die Zebras als gerngesehene Gäste und die Pellegrinis Brothers bezauberten mit artistischen Darbietungen. Und jetzt ist ein junger Wilder an der Reihe: Adrian Paul, Sohn des Apollo-Gründers. Bei der Show "Route 66" führte er vergangenes Jahr Regie und ließ es gewaltig rocken - endlich wieder mit Live-Musik, die perfekt auf jede Nummer abgestimmt war. Aktuell heißt es im Apollo "Jubilé à Paris", so der Titel der Jubiläumsshow. Seit einigen Jahren geht es quer durch die Welt, von Monte Carlo bis New York und St. Petersburg, über London, Shanghai in den 30ern bis nach Las Vegas.

Nächste Woche startet dann das 118. Programm. Bei "Crazy X-Mas" führt wieder Adrian Paul Regie. Das könnte rockig werden.

(RP)
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