Dormagen Wo die Römer Ziegel brannten

Dormagen · Auf dem Gelände der Römer-Therme hat vor knapp 2000 Jahren eine Militärziegelei mit mindestens sechs Öfen gestanden. Experten des Industriemuseums in Lage haben einen Ziegelofen auf Basis der Überreste rekonstruiert.

 Sechs Ziegelstreicher stellten aus Rheinauenlehm insgesamt 3500 Ziegel her.

Sechs Ziegelstreicher stellten aus Rheinauenlehm insgesamt 3500 Ziegel her.

Foto: NGZ

Wie das faulige Gebiss eines erlegten Monsters ragten die Grundfesten von mindestens sechs Militärziegelöfen auf dem Gelände der Dormagener Römer-Therme in die Höhe. Zwischen 1964 und 1992 hatten Archäologen des Landschaftsverbands Rheinland auf dem Areal in der Nähe des Höhenbergs gegraben — und jene Überreste römischer Bauindustrie entdeckt, die im Jahr 30 nach Christus entstanden sein müssen. Heute sind die Ruinen mit Kies verfüllt, mit Bioplane verdeckt und liegen begraben unter jenem Rollrasen, auf dem sich im Sommer Dormagen zum Baden trifft.

 Zwölf Experten arbeiteten an dem Militärziegelofen in Lage.

Zwölf Experten arbeiteten an dem Militärziegelofen in Lage.

Foto: NGZ

Im westfälischen Lage besteht fortan dennoch die Möglichkeit, die Funktionsweise der Öfen hautnah zu erleben.

 Der Ofen ist auf Basis der Ausgrabungen in Dormagen entstanden.

Der Ofen ist auf Basis der Ausgrabungen in Dormagen entstanden.

Foto: NGZ

Auf Basis der Grundfesten auf Dormagener Gebiet haben Experten auf dem Gelände des dort ansässigen LWL-Industriemuseums einen der Öfen im Maßstab Eins zu Eins nachgebaut. "Unser Problem war, die Dimension des Ofens zu bestimmen", erklärt Andreas Immenkamp vom LWL-Industriemuseum. Ein Team aus Archäologen, Architekten, Volkskundlern, Ingenieuren, Messtechnikern und Zieglern hat die Funktion des historischen Brennofen dennoch ausgetüftelt.

Sechs Ziegelstreicher stellten aus Rheinauenlehm 3500 Ziegel — die pro Stück zwölf Kilogramm wiegen — allein für den Ofenbau her. Finanziert wurde das Projekt durch Sponsorengelder. Rat geholt haben sich die Westfalen von weit her. "Es gibt Familienbetriebe in Indien und Afrika, die immer noch nach diesem Verfahren brennen", erklärt Andreas Immenkamp. Der Rest ist learning by doing. Die Ziegel werden bei über 950 Grad gebrannt. Der Brandprozess besteht aus vier Phasen: das Austreiben der Feuchtigkeit in der Schmauchphase; das Aufheizen in der Aufheizphase; der Brand in der Garbrandphase, die bis zu 24 Stunden andauert; schließlich die Abkühlphase.

Das erforderliche Brennholz besteht aus Baumschnitt, Reisig und Ästen. Die Historiker haben errechnet, dass die Römer im Jahr rund 40 000 Ziegel pro Ofen produzieren konnten. Das Gesamtgewicht: 560 Tonnen. "Gebrannt werden kann aber nur in der frostfreien Jahreszeit", erklärt der Museumsexperte. Inzwischen sind die Archäologen in Lage zu dem Schluss gekommen, dass sie den Ofen noch höher hätten bauen können. "Die Maße, die wir bis dahin angenommen hatten, waren zu gering", so Immenkamp.

Anfang des kommenden Jahres wollen die Mitarbeiter des Industriemuseums den Ofen anwerfen. Wenn der Ofen einmal brennt, ist er gleich für vier Tage in Betrieb. Dann können auch die Besucher in Lage zurück in die Zeit reisen und ein Stück Römergeschichte erkunden.

(NGZ)
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