Lokalsport "Jugend forscht" scheitert nur ganz knapp

Dormagen · TSV Bayer Dormagen unterliegt mit dem wohl jüngsten Zweitliga-Team aller Zeiten dem Aufstiegsfavoriten HSC Coburg nur mit 25:27.

 Der "Senior" im Dormagener Team war mit sechs Toren auch der beste Werfer: Kreisläufer Alexander Kübler, der sich hier gegen die Coburger Girts Lilienfelds (32 Jahre, l.) und Florian Billek (27) durchsetzt, ist gerade 26 Jahre alt geworden und war damit der älteste Feldspieler bei den Gastgebern.

Der "Senior" im Dormagener Team war mit sechs Toren auch der beste Werfer: Kreisläufer Alexander Kübler, der sich hier gegen die Coburger Girts Lilienfelds (32 Jahre, l.) und Florian Billek (27) durchsetzt, ist gerade 26 Jahre alt geworden und war damit der älteste Feldspieler bei den Gastgebern.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Das dürfte es in der (Zweiten) Handball-Bundesliga noch nie gegeben haben: Der älteste Feldspieler, den der TSV Bayer Dormagen in seinem Heimspiel gegen den HSC Coburg einsetzte, ist vor drei Wochen 26 Jahre alt geworden. Damit ist Alexander Kübler genau fünf Monate jünger als sein Coburger Kreisläuferkollege Markus Hagelin - und der war der jüngste, den Gästetrainer Jan Gorr am Samstagabend aufs Parkett schickte.

Treffender lässt sich das ungleiche Kräftemessen am fünften Spieltag der Zweiten Handball-Bundesliga nicht beschreiben: Hier das "Jugend forscht"-Programm von TSV-Trainer Jörg Bohrmann, der zwei 17- und einem 18-Jährigem zu ihrem Zweitliga-Debüt verhalf, dessen 14-Mann-Kader es auf ein Durchschnittsalter von 21,9 (nur Feldspieler: 21,1) Jahren brachte. Da die geballte Routine der mit Macht Richtung Erste Liga strebenden Coburger, deren Korsettstangen Adnan Harmandic und Girts Lilienfelds (beide 32) die Dreißig überschritten haben, deren zwölf eingesetzte Akteure es auf stolze 28,4 Jahre im Schnitt bringen.

Lukas Wucherpfennig, aus Kiel nach Coburg gewechselter Linkshänder, wird sich wohl gefragt haben, ob er bei seinem Transfer im Sommer die richtige Entscheidung getroffen hat - der 20-Jährige wurde von Gorr nicht eine Sekunde eingesetzt. In Dormagen würde er schon zu den "Routiniers" zählen. Nur, und das ist die Quintessenz der Geschichte, steht zu vermuten, dass er in Coburg fürs Bankdrücken mindestens das gleiche Salär erhält wie in Dormagen ein Jonathan Eisenkrätzer (25), der am Samstag 60 Minuten ohne Pause Schwerstarbeit in Abwehr und Angriff zu verrichten hatte und in der Schlussphase fast über die eigenen Beine stolperte. Und auf den bereits am Freitag (19.30 Uhr) in Saarlouis und dann noch einmal 46 Stunden später im Heimspiel gegen Springe das mit Sicherheit gleiche Pensum wartet.

Sei's drum: Von einem angesichts der ungleichen Ausgangsposition zu erwartenden Klassenunterschied war nichts zu sehen am Samstagabend vor 1102 Zuschauern. Im Gegenteil: Der HSC Coburg feierte mit dem 27:25 (Halbzeit 15:13) seinen vierten Saisonsieg in Folge und den ersten überhaupt in Dormagen nicht, weil er spielerisch besser war als der Talentschuppen von Jörg Bohrmann. Sondern weil er mit dem aus Wetzlar gekommenen Harmandic und dem in Sachen körperlicher Präsenz nicht zu stoppenden Matthias Gerlich individuell stärker besetzt war. Am Ende waren es wieder jene "Kleinigkeiten", von denen Bohrmann bereits nach den Niederlagen gegen Wilhelmshaven und in Nordhorn gesprochen hatte, die den Ausschlag gaben zugunsten der Gäste.

Die ärgerlichste "Kleinigkeit" war die Entscheidung der Unparteiischen Frederic Linker und Sascha Schmidt, jenen Treffer anzuerkennen, den Markus Hagelin im Nachwurf nach einer Parade von Sven Bartmann zum 24:22 erzielte (49.) - und das, obwohl der Coburger, um an den Ball zu kommen, zwei Dormagener Abwehrspieler in den Wurfkreis gedrückt hatte. "Hätten wir stattdessen einen Freiwurf bekommen und den Ausgleich gemacht, wer weiß, wie das Spiel verlaufen wäre", ärgerte sich Bohrmann zurecht. Der ansonsten nur am Endstand etwas auszusetzen hatte: "Als Trainer darfst du nach einer Niederlage nie zufrieden sein, aber heute bin ich stolz auf das, was meine Jungs geleistet haben."

Das galt vor allem für die Offensive, die sehr diszipliniert und, so lange die Kraft reichte, auch weitgehend fehlerfrei aufspielte. Dabei musste er nach zehn Minuten auch noch auf Jo-Gerrit Genz verzichten, der mit einem "Pferdekuss" auf die Bank humpelte und später mit Schmerzen wenigstens in der Deckung eingesetzt werden konnte. Die offenbarte ohne den an der Schulter verletzten Dennis Marquardt ein paar, am Ende entscheidende, Schwächen gegen die körperlich überlegenen und routinierten Gäste.

"Mit Dennis hätten wir jetzt vier Punkte mehr", sagte Handball-Geschäftsführer Björn Barthel, der hofft, dass der 30 Jahre alte Kapitän am Wochenende wieder einsatzfähig ist. Denn von Zwei-Tore-Niederlagen hat Jörg Bohrmann die Nase voll: "Irgendwann brauchen wir mal wieder Punkte", weiß der Trainer. Mindestens zwei sollen es am Doppelspieltag werden - dafür nimmt er auch gerne in Kauf, dass der Altersdurchschnitt in die Höhe schnellt.

(NGZ)
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