Dormagen Mit Ur-Opas Plattenspieler ins Jahr 2016

Dormagen · Sarah Bünder hat sich gefragt, wie das Kompaktgerät ihres Urgroßvaters funktioniert. Das erklärt ihr Volkmar Hess vom Phonomuseum.

Schon als Sarah Bünder das unhandliche Gerät auf den Tisch stellt, kommt Volkmar Hess ins Schwärmen. "Das Gerät war mal sehr verbreitet", sagt er. "Zum Abspielen der Schallplatten kann man hier gleich vier Drehzahlen einstellen. Auch die Drehzahl für Schellackplatten. Das war damals sehr komfortabel." Sarah Bünder schaut den Experten vom Dormagener Phono- und Radiomuseum leicht verdutzt an, lässt sich aber nichts anmerken. Sie nickt und sagt schmunzelnd: "Aha. Ja." Denn eigentlich betritt sie Neuland - und den Begriff Schellackplatte hat sie auch noch nie gehört. "Ich kenne nur das Shellac für die Fingernägel", erzählt die 20-Jährige, die das alte "Rosita"-Kompaktgerät mit Schallplattenspieler, Radio und Kassettenspieler von ihrem Urgroßvater übernommen hat.

Jetzt hat das schwere Teil Einzug in ihrer ersten eigenen Wohnung gehalten. "Ich wusste, dass es funktioniert. Nur nicht genau wie", erzählt Sarah Bünder, die das Kompaktgerät unbedingt haben wollte, weil es seinen ganz eigenen Charme hat und ihr außerdem der Klang mit dem gemütlichen Knistern gut gefällt. Nach einem Facebook-Aufruf rätselten nun alle, wie sich das Relikt aus den frühen 70ern bedienen lässt. "Der Aufruf hat leider nichts gebracht", sagt Sarah Bünder. Auch ihre Großmutter, ihre Mutter, ihr Freund und die Freunde ihres Freundes konnten nicht weiterhelfen.

Das ist kein Wunder - denn: Wer hat heute schon noch ein Kompaktgerät im Wohnzimmer stehen? Die meisten Menschen lassen so etwas eher im Keller oder auf dem Dachboden verstauben. "Bei uns war das anders. Das Gerät stand immer bei meinem Ur-Opa und lief zum Beispiel an Weihnachten", sagt die Nievenheimerin, die das Gerät nach langem Hin und Her ans Laufen bekam. "Wir wussten nicht wie wir die Knöpfe richtig drücken müssen. Das war das Problem." Jetzt hört sie jeden Morgen zum Frühstück mit dem "Rosita" Radio. Und für den LP-Spieler hat sie sich die ersten Platten gekauft. "Immer mehr Musiker reagieren auf den Trend und bieten auch Schallplatten mit ihrer Musik an. Ich habe mir zum Beispiel eine von Adele gekauft."

Bevor das Gerät bei ihr landete, hat Sarah Bünder Musik ausschließlich beim Online-Anbieter Spotify oder auf anderen Internetplattformen gehört. "Im Auto höre ich meine Musik normalerweise vom Handy. Das kann ich über den Aux-Anschluss mit dem Radio verbinden", erzählt die 20-Jährige, die vielleicht schon eher mit dem Kompaktgerät zu Volkmar Hess ins Phono- und Radiomuseum hätte kommen sollen. Er hätte wohl keine Probleme gehabt, den seinerzeit mit 600 bis 700 D-Mark teuren Spieler ans Laufen zu bekommen. "Solche Kompaktgeräte waren früher sehr verbreitet. Heute funktionieren die meisten nicht mehr", berichtet Volkmar Hess, der immer wieder nach potenziellen Fehlerquellen bei defekten Plattenspielern und anderen alten Geräten gefragt wird.

Er kennt sich mit fast allen Geräten dieser Art aus und weiß sofort, welche Knöpfe wie gedrückt werden und welche Stecker wo angeschlossen werden müssen. Oft sind es gar nicht die durch lange Standzeiten verklebte Mechanik oder defekte Nadeln: In vielen Fällen scheitert es an der Bedienung. Das mit der Bedienung ist aber auch für viele ältere Menschen so eine Sache - vor allem bei Spotify und Co. Da ist es genau umgekehrt: Sie kennen sich oft mit der alten Technik besser aus als mit digitalen Datenträgern für Musik. Volkmar Hess kennt die modernen Techniken ebenfalls gut, wenn er im Alltag auch lieber auf klassische Geräte zurückgreift: In seinem Wohnzimmer zum Beispiel steht - na klar - ein schmucker alter Plattenspieler.

(cka)
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