Dormagen Immer mehr Dormagener verschuldet

Dormagen · Die Zahl der Privatinsolvenzen steigt auch in Dormagen seit Jahren. Eine größere Rolle spielt dabei das Konsumverhalten von jungen Leuten, hat die Schuldnerberatung des Internationalen Bunds ausgemacht.

Dormagen: Immer mehr Dormagener verschuldet
Foto: Ferl

Für Norbert Hözel ist es ein typischer Fall, mit dem er sich zurzeit beschäftigen muss: Da ist der junge Mann, Mitte 20, der mit einem Schuldenberg von knapp 15.000 Euro vor dem Schuldnerberater des Internationalen Bunds in Dormagen sitzt. "Er bezieht Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, hat kein Einkommen und bestellt munter im Internet. Kleidung, Ausstattungsdinge für die Wohnung, Handy-Verträge." Da muss Hözel dicke Bretter bohren und viel Überzeugungsarbeit leisten, ehe der Klient mittels eines Haushaltsplans wieder in die Spur kommt. Kein Einzelfall: Fast zehn Prozent der Dormagener über 18 Jahren sind überschuldet - das heißt: Sie können die Summe ihrer fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen. Weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten stehen zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Tendenz: steigend.

Hözel spricht selbst bei der Schuldnerberatung von einem "Dauer-Arbeitsplatz, ähnlich dem eines Bestatters". Denn in die Schuldenfalle geraten viele Dormagener aus ganz unterschiedlichen Gründen: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung/Scheidung, geplatzte Baufinanzierung oder Konsumkredite. Zwischen 300 und 350 Fälle bearbeiten Hözel und seine Kollegin Ute König im Jahr, monatlich kommen bis zu 30 neue hinzu. "Altersarmut wird zu einem zentralen Thema werden", ist Norbert Hözel sicher, "bei der Verschuldung von jungen Leuten ist die Tendenz ganz leicht rückläufig". Eine Entschärfung werde, davon ist er überzeugt, auch nicht die Neuregelung des Privatinsolvenzverfahrens bringen, die am 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist und wo Schuldner die Möglichkeit haben, früher aus der Insolvenz zu kommen: Wenn der Schuldner mindestens 35 Prozent der offenen Forderungen tilgt und die Verfahrenskosten bezahlt, verringert sich die Dauer der "Wohlverhaltensperiode" von sechs auf drei Jahre. "Wenn ein Schuldner mit 45.000 Euro da steht und er 13 Gläubiger hat, dann muss er inklusive Verfahrenskosten trotzdem knapp 30.000 Euro zahlen."

In Dormagen ist die Situation unverändert kritisch. Hackenbroich ist nach wie vor der Stadtteil mit der höchsten Verschuldungsquote, dort stieg der Anteil von 12,04 (2011) auf 14,65 Prozent im Jahr 2014. Unter allen 109 Ortsteilen im Rhein-Kreis Neuss liegt Hackenbroich auf Platz 97. Neuere Zahlen für 2015 liefert das Inkassobüro Creditreform aufgrund des großen Aufwands seit vergangenem Jahr nicht mehr. Dafür gelingt ein vertiefter Blick in die Städte durch die Aufteilung in Postleitzahlbereiche. Danach ist der Anteil von Erwachsenen im Bereich "41540" mit Hackenbroich, Horrem und Delhoven mit 12,42 Prozent am stärksten verschuldet, dabei war Delhoven 2014 der Ortsteil mit der zweitgeringsten Verschuldungsquote (6,02 Prozent).

Beim Internationalen Bund sieht man in Dormagen ein "immer drängenderes Problem, einen angemessenen Wohnraum für sozial schwächere Bürger zu bekommen. Wer Schulden hat, geht bei den großen Wohnungsvermittlern leer aus", sagt Norbert Hözel.

(schum)
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