Analyse Gemeinsame Aufgabe für ganz Dormagen

Dormagen · Vor der Entscheidung für die Standorte der neuen Asylheime formiert sich eine Interessen-gemeinschaft, werden Unterschriftenlisten diskutiert, um den Bau im eigenen Stadtteil abzuwenden

In den vergangenen Tagen war das St.-Florians-Prinzip in Dormagen zu beobachten: Die zugewiesenen Flüchtlinge sollen möglichst weit weg von einem selbst, in anderen Stadtteilen, untergebracht werden. Nachdem die Stadt die ersten drei möglichen Standorte für neue Asylheime in Nievenheim (bis zu 150 Flüchtlinge), Delhoven (100) und Rheinfeld (100) benannt hat, und auch die Landes-Erstaufnahmeeinrichtung mit bis zu 500 Flüchtlingen am Wahler Berg noch nicht vom Tisch ist, formiert sich Widerstand von Stürzelberg über Nievenheim bis Rheinfeld.

Im Internet, auf einem Flugblatt, in der Diskussion um Unterschriften-Listen und als Interessengemeinschaft wird gefordert, dass es bei der Verteilung der Asylbewerber auf die Stadtteile "gerecht" zugehen soll, gefolgt von Argumenten, warum der jeweilige Stadtteil nicht - oder nur im geringeren Maße - betroffen sein sollte. Diese "Nicht bei mir"-Haltung wird jedoch nicht verhindern, dass Unterkünfte fast in jedem Stadtteil gebaut werden müssen. Denn die Prognosen für die nächsten Monate sagen klar, dass die Stadt schnell zusätzliche Unterkünfte für viel mehr als die zurzeit rund 860 Flüchtlinge schaffen muss, wenn sie nicht auf weitere Turnhallen und von der Öffentlichkeit genutzte Gebäude zurückgreifen will. Geeignete Wohnheime für 1300 Flüchtlinge müssen bis Ende 2016 her - verteilt auf ganz Dormagen. Da kann nicht das Kriterium sein, diejenigen Stadtteile zu "verschonen", in denen die Bürger am lautesten protestieren.

Das heißt jedoch nicht, dass die möglichen Standorte und ihre Ausstattung nicht geprüft werden dürfen. Es ist auch verständlich, dass Bürger zum Beispiel gern ihren bisher unverbauten Blick auf den Wald behalten wollen, dass sie sich Sorgen machen, wie die große Herausforderung der Integration gelingen soll, und sich zurückgesetzt fühlen, wenn es so scheint, dass den Kommunen in der Krise erlaubt ist, temporär dort zu bauen, wo sie selbst keine Genehmigung bekamen.

Wenn jetzt aber einzelne Personen und Parteien die angeblich fehlende Bürgerbeteiligung anprangern oder behaupten, es sei alles abgekartet, ist das ebenso falsch wie unredlich. Die wichtige Integration von Flüchtlingen ist kein Thema, um sich oder die Partei zu profilieren, indem man Fakten außer Acht lässt. Statt die Ängste der Bürger zu verschärfen und ein vergiftetes Klima der Unzufriedenheit zu schüren, sollte auf gemeinsames Vorgehen gesetzt werden.

Die Vorschläge der Verwaltung, die neun städtische, schnell zu erschließende Flächen identifiziert hat, sind noch nicht beschlossen. Allerdings sind sie ohne die Nennung echter Alternativen sehr wahrscheinlich. Bürgermeister Erik Lierenfeld hat einen klaren Fahrplan ausgegeben: Zunächst Information der Politik und Öffentlichkeit in - auch Bürgern zugänglichen - Ausschüssen und im Rat (die NGZ berichtete). Auf der Internetseite der Stadt sind die Pläne ebenso einsehbar. Jetzt folgt eine Bürgerversammlung am 8. Dezember für die ganze Stadt, danach weitere Versammlungen in den drei zunächst betroffenen Orten bis Mitte Dezember.

Wenn im Hauptausschuss am Freitag mit einem Vorratsbeschluss die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, kann die Stadt die Ausschreibung anschieben. Bevor die Standorte bebaut werden, wird die Politik noch darüber entscheiden.

Dormagen braucht weiter Gemeinsamkeit und keine bewusst herbeigeführten Gräben zwischen "denen und uns". Denn die Aufgabe wird sein, Flüchtlinge mit Bleibeperspektive zu integrieren und von ihnen auch Integration - angefangen beim Spracherwerb - zu verlangen. Das gelingt nur in guter Nachbarschaft, nicht im Ausgrenzen.


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(NGZ)
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