Dormagen Er fehlt ihr

Dormagen · Gohr Er war kein herkömmlicher Hund. Er war ihr ständiger Begleiter, ihr vierbeiniger Freund, ja, er war der "große Blonde" an ihrer Seite. Durch ihn hat Vera Mertens gesehen, durch ihn war sie mobil, konnte ihr Leben selbständig bestreiten. Vor vier Wochen hat Vera Mertens, die seit 20 Jahren an Retinitis Pigmentosa - einer Augenerkrankung, die zum schleichenden Sehverlust führt - leidet, alles verloren.

 Sieben Jahre lang eine treuer Begleiter: Labrador Asko hat Vera Mertens stets den Weg gezeigt. Beim täglichen Spaziergang wurde er vergiftet.

Sieben Jahre lang eine treuer Begleiter: Labrador Asko hat Vera Mertens stets den Weg gezeigt. Beim täglichen Spaziergang wurde er vergiftet.

Foto: NGZ-Online

Gohr Er war kein herkömmlicher Hund. Er war ihr ständiger Begleiter, ihr vierbeiniger Freund, ja, er war der "große Blonde" an ihrer Seite. Durch ihn hat Vera Mertens gesehen, durch ihn war sie mobil, konnte ihr Leben selbständig bestreiten. Vor vier Wochen hat Vera Mertens, die seit 20 Jahren an Retinitis Pigmentosa - einer Augenerkrankung, die zum schleichenden Sehverlust führt - leidet, alles verloren.

Ihr Blickfeld ist nur noch stecknadelkopfgroß, ihr Labrador Asko, ein ausgebildeter Blindenhund, wurde vergiftet. "Was jemand Mensch und Tier antut - grausam." Mehr kann die 55 Jahre alte Frau, die seit 26 Jahren in Gohr lebt, dazu gar nicht sagen. Er fehlt ihr. Sie ist ohnmächtig.

Insgesamt vier Hunde wurden am 5. Juni 2008 in Gohr am Ramrather Weg vergiftet. Sie alle starben qualvoll durch Ersticken. Und es hätte noch viel schlimmer ausgehen können. Denn die Polizei, verschiedene Hundehalter sowie viele Gohrer fanden im Nachhinein große Mengen der ausgelegten Giftköder unmittelbar am Wegesrand.

Es handelte sich dabei um Hackfleischbällchen, die mit E 605 getränkt wurden. Ein Gift, das seit Januar 2002 wegen seiner Gefährlichkeit in Deutschland verboten ist. Nach Aussagen der Polizei reichen 0,4 Gramm dieses Giftes aus, um einen 80 Kilogramm schweren Menschen zu töten. "Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Kinder diesen leuchtend blauen Köder angefasst hätten", sagt Mertens, die die Tat nicht ungeschehen lassen möchte. Sie sucht nach Hinweisen.

Sieben Jahre lang, dreimal am Tag lief Vera Mertens mit Labrador Asko am Ramrather Weg entlang. "Ich habe einen starken Pestizid-Geruch vernommen, doch ich dachte, die Bauern hätten ihre Felder gespritzt", so erinnert sie sich. Sie ergänzt: "Wenn das ein Gohrer war, dann fühle ich mich persönlich angegriffen. Asko war ein Teil von mir. Das wusste jeder. Durch diese sinnlose Tat wurde er mir einfach genommen", so Mertens.

Gründe sieht sie nicht. Mertens mutmaßt: "Vielleicht wollte jemand die Anzahl der Gohrer Hunde dezimieren." Durch das Neubaugebiet seien viele Familien mit Kindern und Hunden nach Gohr gezogen.

Dass Asko jedoch den Wert eines 20 000 Euro teuren Mittelklassewagens hatte, wurde dabei wohl nicht bedacht. "Die Ausbildung von Blindenhunden ist sehr kostspielig und langwierig", berichtet Mertens. Im ersten Lebensjahr wird der Hund bei einer Patenfamilie untergebracht, erst danach beginnt die Ausbildung, die ungefähr sechs bis neun Monate dauert. Anschließend braucht es noch einmal ein bis anderthalb Jahre bis Führerhund und Halter ein Gespann sind. "Auch Asko und ich brauchten diese Zeit bis er alle Befehle kannte", so Mertens.

Und die kannte er. Zog Vera Mertens sich einen Rucksack über, wusste er, dass es in die Stadt ging. Sagte sie "Such Weg", liefen sie zum Ramrather Weg. "Such Bus", bedeutete die Bushaltestelle, "Such Schalter" die Bank. Insgesamt 30 Befehle erleichterten das Zusammenspiel zwischen den beiden. Nicht nur das. In brenzligen Situationen behielt Asko Ruhe. "Er war so souverän, so nervenstark, er gab mir das Gefühl von Sicherheit."

Auf dieses Gefühl muss Mertens nun verzichten. Sie überlegt sogar wegzuziehen. Aus Angst.

(NGZ)
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