Dormagen Einfach einmalig - das Mundartarchiv in Zons

Dormagen · Es ist 30 Jahre alt und überregional vor allem bekannt wegen des Friedstrompreises: Im Mundartarchiv in Zons werden Dokumente in einem Archiv zusammengetragen.

 Achim Thyssen leitet das Mundartarchiv.

Achim Thyssen leitet das Mundartarchiv.

Foto: Berns (2), Tinter, Tränert

Mit der Mundart ist das so eine Sache: für den einen wird sie viel zu wenig gesprochen und vermittelt, für den anderen klingt sie dagegen ein wenig ordinär. Doch wie auch immer, eins bedeutet sie auf jeden Fall: ein Stück Heimat. 40 Mundartvariationen soll es allein im Rhein-Kreis Neuss geben. Grund genug, die dazugehörigen Dokumente in einem Archiv zusammen zu tragen. Denn diese Alltagssprache hat schon lange Eingang in die Literatur gefunden. Die Idee dazu hatten damals der ehemalige Landrat Dieter Patt und der Norfer Heimatdichter Ludwig Soumagne, dessen Name das Archiv auch trägt. Zudem hat es den Zusatz "International" - zu Recht, sagt Archivleiter Achim Thyssen. Denn der Anspruch der Sammlung ist kein geringerer als der, die deutschsprachige Dialektdichtung an einem Ort aufzuheben. Und das ist in Deutschland schon ziemlich einmalig.

Allerdings, schränkt Thyssen ein, erhebe die Sammlung keinen Anspruch auf Vollständigkeit - oder besser gesagt, nur zum Teil. Vorhanden ist natürlich alles, was im Rhein-Kreis Neuss in Mundart erschienen ist, ebenso die Publikationen aus Nordrhein-Westfalen. "Ansonsten aber können wir nur mit exemplarischem Material dienen", sagt Thyssen. Heißt: Ein Autor beispielsweise aus Buxtehude, der 30 Bücher veröffentlicht hat, ist in Zons nur mit drei bis vier vertreten. "Das", sagt Thyssen, "gibt es so nirgends in Deutschland." Lediglich diverse regionale Archive, die natürlich nur Mundartliteratur der eigenen Region sammeln, gebe es deutschlandweit verstreut. Daher sei das Mundartarchiv im Zonser Kulturzentrum mit ungefähr 8000 Primär- und einer großen Sammlung von Sekundärtexten sowie audiovisuelle Beständen eine Einrichtung, "an der niemand vorbeikommt, der einen Überblick über die deutschsprachige Dialektliteratur benötigt", so Thyssen.

Auch Ina Müller, Wolfgang Niedecken, Konrad Beikircher und Emil Steinberger kennen mittlerweile das Mundartarchiv. Das hat weniger damit zu tun, dass sich die Künstler auf Forschungsreise nach Zons begeben hätten, sondern vielmehr damit, dass sie dort mit dem Friedestrompreis ausgezeichnet wurden. Den vergibt der Rhein-Kreis Neuss alle zwei Jahre für "besondere Verdienste um die deutschsprachige Dialektliteratur". Dotiert ist er mit 4000 Euro. Aktuelle Preisträgerin ist die Schauspielerin und Kabarettistin Monika Gruber, die allerdings wahrscheinlich erst im Frühjahr 2017 geehrt werden kann. Der Grund: Sie steckt mitten in Dreharbeiten, hat in diesem Jahr keine Zeit mehr. "Das hatten wir auch noch nie, dass der Preis erst im darauffolgenden Jahr vergeben wurde", sagt Achim Thyssen, der immerhin schon so einiges mit den "Promis" erlebt hat.

So habe beispielsweise die Terminabsprache mit Wolfgang Niedecken ganz reibungslos geklappt, als der sich selbst einschaltete und nicht mehr sein Management walten ließ. Natürlich gab es auch die, die recht kompliziert und gar nicht so umgänglich waren, wie es auf der Bühne den Anschein hat. Deren Namen behält der Archivleiter verständlicherweise für sich. Ebenfalls im Abstand von zwei Jahren verleiht das IMA den Franz-Peter-Kürten-Preis für Menschen, die sich für die Mundartliteratur und Kulturpflege im Rheinland eingesetzt haben. Die Söhne des Kölner Dichters Kürten hatten dessen Nachlass dem Archiv angeboten, dafür wurde der Preis ins Leben gerufen. Das Besondere: Die ehemaligen Preisträger bestimmen immer den neuen.

Verliehen wird in Zons jährlich auch der Hörspielpreis der Stiftung Kulturpflege und Kulturförderung der Sparkasse Neuss für das beste regionale Hörspiel. An den Zonser Hörspieltagen nehmen Redakteure, Regisseure, Autoren und Fachwissenschaftler teil. Sie bilden auch die Jury. Der Sieger wird mit 2500 Euro belohnt. Zusätzlich wird der Darstellerpreis vergeben, in diesem Jahr an den Schauspieler Sönke Möhring für seine Rolle des Hammers Georg Latotzke im WDR-Radio-Tatort "Soko Hamm".

So viel Einsatz und Vielfältigkeit rund um die Pflege der Mundart verdient, beachtet zu werden. Und so stand jetzt auch einmal das IMA im Mittelpunkt einer Preisverleihung: In Kassel konnte Achim Thyssen vor kurzem den von der Eberhard-Schöck-Stiftung und dem Verein Deutsche Sprache ausgelobten Initiativpreis des Kulturpreises Deutsche Sprache entgegennehmen. 5000 Euro gab es. Und wofür werden die ausgegeben? "Das ist noch nicht klar. Aber mein Vorschlag wäre, sie für die Neuauflage von Hörspielen der ehemaligen Rheinischen Redaktion des WDR zu verwenden", sagt Thyssen und ist überzeugt: "Unsere Sammlung wird immer wertvoller, je weniger Menschen da sind, die Mundart sprechen."

(NGZ)
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