Dormagen Dormagen als Herausforderung

Dormagen · Kabarettist Christian Ehring begeisterte zwei Mal in der ausverkauften "Kulle".

 Immer im Kontakt zum Publikum: Christian Ehring beeindruckte die Zuschauer mit brillantem Kabarett.

Immer im Kontakt zum Publikum: Christian Ehring beeindruckte die Zuschauer mit brillantem Kabarett.

Foto: Lothar Berns

Der Kabarettist Christian Ehring hat ein Herz für mittelgroße Städte, wo ihn Großstadtdünkel nicht nervt: "Cool sein in New York kann jeder - die Challenge heißt Dormagen!" Und diese Herausforderung hat er blendend gemeistert, er beeindruckte mit hintergründigem Witz, nachdenklich stimmenden Aussagen und Liedern sowie politischen Einordnungen.

Das Publikum in der ausverkauften Kulturhalle dankte ihm am Freitag nach den exakt zwei Mal 65 Minuten seines Programm "Keine weiteren Fragen" mit lang anhaltendem Beifall. Auch der Zusatztermin am Samstag war schnell ausverkauft, wie Kulturbüro-Leiter Olaf Moll erklärte: "Wir mussten sogar noch eine dreistellige Zahl an Nachfragen ablehnen."

Die das Glück hatten, bei den Vorstellungen dabei zu sein, erlebten einen gut aufgelegten Kabarettisten mit dem Anspruch der Authentizität, der auf sympathische Art mit dem Wirbel kokettierte, den das Lied über den türkischen Präsidenten aus seiner NDR-Satire-Magazin "extra3" verursacht hatte: "Ist das ok für Sie, wenn wir heute nicht so viel über Erdogan reden?" Doch ließ Ehring kein aktuelles Thema aus, das er anhand einer NGZ-Ausgabe benannte: Flüchtlingsstrom, Deal mit Erdogan, Panama-Papiere, Steuerflüchtlinge, Boni für VW-Manager - das müsste man Flüchtlingen auch erst mal erklären. In einer Welt, in der alle bis auf die Vollzeit-Kanzlerin Yoga-Lehrer sind, wird SPD-Chef Sigmar Gabriel für Ehring zum Yoga-Lehrer-Kandidaten.

In der Rahmenhandlung gibt Ehring den vom phlegmatischen Sohn genervten Vater, der dem Meister der Freizeit-Organisation das Jahr im Slum in Buenos Aires selbst organisiert hat, sonst "sind die besten Slums schon weg". Dass seine Frau daraufhin die 40 Quadratmeter-Einliegerwohnung mit eigenem Eingang, kleiner Küche, kleinem Bad der Stadt als Unterkunft für einen Flüchtling anbietet - und die auch noch drauf anspringt, geht dem Vater dann doch etwas zu schnell, lieber würde er dort seine Marktlücke "vegane Kinderlieder" (frei von Tieren und Tierprodukten, wie "Schrot, du hast das Korn gestohlen" oder "Tofu, Tofu, ruft's aus dem Wald") produzieren. Als er dann aber auf einem unverbindlichen Flüchtlings-Treff ("Wer Angst vor Muslimen hat, stellt sich einfach näher an die Mettbrötchen") den Traum-Flüchtling David kennenlernt, möchte er ihn gleich zu sich nach Hause holen. Blöd nur, dass David dann doch nicht zum Ehepaar ziehen will, was den verschmähten Vater als Gegenreaktion fast dazu bringt, sich "bei Facebook mit Orban zu befreunden". Erst sein Sohn kann ihn beruhigen: "Sei nicht so egoistisch, sei authentisch." Mehr davon wünschten sich viele begeisterte Zuschauer.

(NGZ)
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