Dormagen Ärger um Vogel des Jahres

Dormagen · Der Naturschutzbund hat den Kormoran zum Vogel des Jahres 2010 gekürt. Bei den Anglern in Dormagen stößt die Wahl auf Unverständnis. Der fischfressende Wasservogel hat den Bestand in vielen Seen erheblich dezimiert.

 Jürgen Wischnewski.

Jürgen Wischnewski.

Foto: NGZ

Die Eisplatten auf dem Goldberger See glitzern in der Nachmittagssonne. Einige Blesshühner plätschern im kalten Wasser, am Ufer raschelt das Röhricht. Würden nicht die Motorengeräusche von der nahen A 57 über den See wehen — es wäre das perfekt Idyll. Jürgen Wischnewski (59), Geschäftsführer des Angelsportvereins Delrath, steht am Ufer und dreht langsam den Kopf, als scanne er den Horizont. Erleichtert sagt er schließlich: "Heute ist keiner da."

Mit "keiner" sind die vier bis sechs Kormorane gemeint, deren Revier der Goldberger See ist. Ähnlich sieht es am Waldsee aus. Dort halten sich acht Kormorane dauerhaft auf. Wischnewski glaubt, dass die Wasservögel aufgrund des Eises derzeit zu Rhein und Erft weitergeflogen seien. Doch sobald es wärmer wird, geht der Ärger wieder los.

Ausgerechnet den Kormoran hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zum Vogel des Jahres 2010 gewählt. Die Angler sind fassungslos. "Ein Kormoran frisst 500 Gramm Fisch am Tag", sagt Wischnewski. Vier der Wasservögel fressen also umgerechnet pro Jahr über 700 Kilogramm Fisch. Die 150 Mitglieder des Vereins ziehen gerade einmal 400 bis 600 Kilogramm an Land. Das geht ins Geld. Fische im Wert von 4000 bis 5000 Euro setzt der Verein jährlich in den Goldberger See: Karpfen, Rotaugen, Brassen, Hechte, Zander und Aale — die liebt der Kormoran besonders.

Thomas Braun von der Biologischen Station kennt die Diskussion: "Der Kormoran ist ein rotes Tuch für jeden Angler." Er bestätigt, dass die Tiere über eine weite Entfernung angeflogen kommen — auch im Rudel. Am Balgheimer See, wo die Biologische Station aktiv ist, treten laut Braun aber immer nur einzelne Tiere auf. Hinzu komme: "Der Kormoran kann auch unter Wasser jagen, braucht dafür aber klares Wasser", erklärt Braun. Dort findet sich der Vogel allerdings gut zu recht. Bis zu einer Minute können Kormorane tauchen, sie erreichen dabei eine Tiefe von 16 Meter. Der Angelsportverein Delrath hat im Goldberger See bereits Tannenbäume versenkt, zwischen deren Ästen die Fische Schutz suchen können.

Dabei war der Kormoran vor Jahren fast schon einmal ausgestorben. "Doch plötzlich explodierte die Population in Europa", sagt Wischnewski: "Vor zwei Jahren war hier auch schon mal ein Schwarm von über 100 Exemplaren, die über den Goldberger See hergefallen sind."

(NGZ)
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