Reinhard Wolf "Wollen vor Ort von der SPD überzeugen"

Dinslaken · Am 13. April haben die Dinslakener Sozialdemokraten Reinhard Wolf zu ihrem neuen Chef gewählt. Im Interview mit der Rheinischen Post zieht der SPD-Stadtverbandsvorsitzende eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit.

Reinhard Wolf: "Wollen vor Ort von der SPD überzeugen"
Foto: SPD

Herr Wolf, nachdem die designierte Parteivorsitzende ihre Kandidatur zurückgezogen hatte, sind Sie recht überraschend zu Ihrem Amt gekommen? Wie haben Sie die ersten knapp vier Monate erlebt?

Reinhard Wolf Viel Neues, was ich ja auch nicht anders erwartet hatte, viele Termine, ein bisschen mehr als ich ursprünglich eingeschätzt hatte. Als sehr positiv habe ich die Resonanz empfunden, die ich in den verschiedenen Gremien und Gruppen der Partei erfahren habe. Ich habe eine Vorstellungsrunde durch alle Parteigremien gemacht, weil ich vielen eben doch noch nicht so sehr bekannt war. Ich war bei den Senioren, bei den Jusos, in den Ortsvereinen. Sehr interessant für mich ist die Arbeit der Fraktion, deren ständiger Gast ich bin. Da habe ich eine Menge Einblicke in die für Dinslaken wichtigen Politikfelder, die mir so im Detail nicht bekannt waren, gewonnen. Das hilft schon sehr dabei, die Arbeit im Stadtverband für die Zukunft aufzustellen.

Sie haben das Amt in durchaus turbulenten Zeiten für die Dinslakener Sozialdemokratie übernommen. Die designierte Vorsitzende war wegen Facebookäußerungen zur Flüchtlingsthematik in die Kritik geraten, hatte innerparteiliche Querelen ausgelöst. Seit Sie die Partei führen, ist von der SPD kaum noch was zu hören. Wer's positiv sehen möchte, könnte sagen, Sie haben Ruhe in die SPD gebracht. Manch einer könnte aber auch kritisieren, dass die Dinslakener SPD arg sprachlos ist. Wenn nichts an mir vorbeigegangen ist, gab's nur eine öffentliche Stellungnahme in Ihrer bisherigen Amtszeit: zur Diskussion um die neue B 8.

Wolf Sprachlos sind wir sicher nicht. Es gab ja auch Stellungnahmen der Fraktion - zum Haushalt, ganz aktuell zum Freibad Hiesfeld. Wir sprechen das intern ab, wer sich zu welchem Thema wie äußert. Nach den Sommerferien - dann geht für mich die Arbeit nach außen eigentlich erst so richtig los - müssen wir sehen, wie wir uns da aufstellen. Hintergrund ist, dass wir uns im Stadtverbandsvorstand abgesprochen haben, zu den wichtige Themen der Dinslakener Politik Arbeitsgruppen zu bilden, die ab September ihre Arbeit aufnehmen werden. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen wird der Stadtverband in Abstimmung mit der Fraktion dann natürlich auch kommunizieren. Dabei ist natürlich auch Fingerspitzengefühl gefragt. Bei der Frage der Schulentwicklung beispielsweise müssen wir schon ganz genau schauen, wann und wie wir in die Öffentlichkeit gehen. Bei einem solchen sensiblen Thema darf es nicht passieren, dass der Eindruck entsteht, wir wollten jemanden überfahren. Ich empfinde es aber in der Tat als positiv, dass die innerparteilichen Befindlichkeiten aus der öffentlichen Diskussion verschwunden sind. Was die politischen Themen angeht, wird sich der Stadtverband ab Herbst sicherlich noch positionieren.

Sie haben gerade das Thema "Schulentwicklung" angesprochen, sicher eine der wichtigsten politischen Fragen der nächsten Zeit. Versteht sich die Partei in dieser Frage als Impulsgeber für die Fraktion, die ja auch immer unter dem Zwang steht, für bestimmte Positionen Mehrheiten im Rat finden zu müssen?

Wolf Grundsätzlich schon. Deswegen haben wir ja auch hierzu eine Arbeitsgruppe gebildet, an der natürlich auch Mitglieder der Fraktion und die Schuldezernentin beteiligt sind. Hier werden wir einen Weg erarbeiten, wie wir uns als SPD Dinslaken die Schulentwicklung vorstellen. Diese Position muss dann natürlich mit den anderen Parteien im Rat besprochen werden. Ich denke, dass diese Diskussion bis weit ins nächste Jahr hineinreichen wird. Mein Ziel als Stadtverbandsvorsitzender ist, alle Parteigremien und die Fraktion ins Boot zu holen. Ich halte nichts davon, dass wir als Stadtverband unabgestimmt Positionen vorgeben. Ich halte es für zielführender, wenn wir das gemeinsam angehen und den Sachverstand, der in allen SPD-Gremien vorhanden ist, bündeln.

Als stellvertretender Leiter des Amtes für Schulische Bildung in Duisburg ist Ihnen sicher bewusst, dass es gerade in der Schulpolitik nicht immer einfach ist, die Vorgaben der Landesschulpolitik mit den Interessen des kommunalen Schulträgers unter einen Hut zu bringen.

Wolf In der Tat ist es schwierig, die gesetzgeberischen Vorgaben mit der Situation vor Ort in Übereinstimmung zu bringen. Das merke ich in meiner beruflichen Tätigkeit in Duisburg und das gilt sicherlich noch mehr für eine kleinere Stadt wie Dinslaken, wo sie bei den weiterführenden Schulen immer nur ein oder zwei Schulen eines Systems haben. Wenn sie dort etwas verändern, beispielsweise eine Schule auflösen, dann schaffen sie weiße Flecken auf der Landkarte und müssen Antworten darauf finden, wie sie damit umgehen wollen. Natürlich diskutieren wir auch im SPD-Stadtverband darüber, wie wir den Spagat zwischen gesetzgeberischen Vorgaben, dem Elternwillen, der laut Gesetzgeber ja auch berücksichtigt werden muss, und den lokalen Besonderheiten lösen. Das hat der Gutachter mit seinen vier Lösungsvorschlägen versucht. Das werden wir in der parteiinternen Arbeitsgruppe diskutieren, um dann mit den Schulen und mit den Eltern zu der für Dinslaken besten Lösung zu kommen. Das ist ein dickes Brett, das wir bohren müssen. Da dürfen wir uns keinen falschen Illusionen hingeben. Wir wollen eine möglichst zukunftssichere Schullandschaft schaffen. Allerdings habe ich in 17 Jahren Schulverwaltung auch gelernt, dass Lösungen nur so lange zukunftssicher sind, wie sich der gesetzliche Rahmen nicht ändert. Im kommenden Jahr sind Landtagswahlen. Mal sehen, wie sich die Lage dann darstellt. Die Sekundarschule als Schulform ist ja beispielsweise aus einem Kompromiss entstanden, der irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch ist. Duisburg etwa plant gerade die Umstellung auf ein Zwei-Säulen-System mit Gymnasien, die in der Diskussion sakrosankt sind, und einem integrierten Schulsystem für alle. Die Abkehr vom gegliederten Schulsystem ist im Prinzip das, was Sozialdemokraten wollen. Auf der anderen Seite gibt es aber die örtlichen Gegebenheiten. In Dinslaken gibt es unter anderem auch eine starke Nachfrage nach der Realschule. Das dürfen wir nicht ignorieren.

Im kommenden Jahr, Sie haben es angesprochen, sind Landtagswahlen. Eine Ihrer Aufgaben nach der Sommerpause wird es ein, den Wahlkampf vor Ort vorzubereiten. Nun weisen die Kommunen immer darauf hin, dass ihre gestalterischen Mittel weitgehend fremdbestimmt sind, weil sie von Bund und Land Aufgaben vorgegeben bekommen, ihnen aber nicht das notwendige Geld zur Verfügung gestellt wird, um sie zu erledigen. Wie glaubwürdig ist es da eigentlich, für die SPD in Bund und Land Wahlkampf zu machen? Schließlich ist sie ja sowohl in Berlin als auch in Düsseldorf an der Regierung beteiligt.

Wolf Klar, so ehrlich müssen wir schon sein. Die Fehler in der kommunalen Finanzausstattung hat unter anderem der Bund als Institution gemacht, aber in der Tat war in den vergangenen Legislaturperioden auch die SPD beteiligt, zurzeit in der großen Koalition, davor aber auch federführend. Gerade die für die Kommunen teuren Änderungen der Sozialgesetzbücher wurden teilweise von der Bundespartei mitgetragen. Das ändert aber nichts daran, dass man auch mal dazulernen kann. Wir kommen an einen Punkt, an dem die mangelnde Finanzausstattung die im Grundgesetz festgeschriebene kommunale Selbstverwaltung in Frage stellt. Das müssen wir diskutieren. Das heißt aber nicht, dass wir sozialdemokratische Überzeugungen und Ziele grundsätzlich in Frage stellen müssen.

Wenn man auf Umfrageergebnisse guckt, steht es um die SPD weder im Land noch im Bund so richtig gut. Wie wollen Sie dennoch einen erfolgreichen Wahlkampf bestreiten?

Wolf Das sieht im Moment leider so aus. Nun können wir aus der Kommune heraus Landes- oder Bundespolitik nur schwer beeinflussen. Wir können, wenn wir beispielsweise für die Landes-SPD und unseren Landtagsabgeordneten werben wollen, zwar darauf verweisen, was das Land für die Stadt getan hat und darauf, dass wir ein großes Interesse daran haben müssen, dass dies auch so bleibt, aber es bleiben natürlich Baustellen in der Landespolitik, die wir nicht bearbeiten können. Deswegen glaube ich persönlich, dass es der erfolgversprechendste Weg ist, vor Ort gute sozialdemokratische Politik zu machen. Das tut die Dinslakener SPD, davon bin ich fest überzeugt. Damit können wir dann auch die Bürger überzeugen, dass es ihnen etwas bringt, wenn sie auch in Bund und Land die Sozialdemokraten unterstützen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE JÖRG WERNER.

(RP)
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