Dinslaken Wenn Patienten aus dem Koma erwachen

Dinslaken · Marita und Manfred Ernst aus Dinslaken sind Mitbegründer der Selbsthilfegruppe "Wir sind wieder da".

 Die Dinslakener Marita und Manfred Ernst sind für Wachkomapatienten da.

Die Dinslakener Marita und Manfred Ernst sind für Wachkomapatienten da.

Foto: Heiko Kempken

Susanne Altemeyer lebt mittlerweile wieder vollkommen selbstständig in einer Wohnung, was niemand mehr für möglich gehalten hatte. Sie ist 2004 nach über drei Jahren nach und nach aus dem Wachkoma erwacht und kämpfte sich seit dieser Zeit zurück ins Leben. Eine Virusinfektion hatte sie sich zugezogen, in deren Folge sie während eines Nachtdienstes bewusstlos zusammenbrach und nur durch das Eingreifen ihres Freundes überlebte. 13 Monate lag sie auf der Intensivstation in Essen und wurde danach in ein Pflegeheim untergebracht. Da ihre Angehörigen und Manfred Ernst, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe Rhein-Ruhr, insistierten, wurde sie in eine neurologische Rehaklinik verlegt und rehabilitierte sich nahezu vollständig.

Einige andere Wachkomapatienten mit scheinbar ebenso aussichtslosen Prognosen erwachten ebenfalls, zwar mit körperlichen Einschränkungen, aber eines war damit bewiesen: Es gibt auch unerwartete Genesungen, die über die veranschlagte Zeit hinaus passieren.

In dieser Zeit wurde — auf richterlichen Beschluss — bei der ebenfalls im Wachkoma liegenden Terry Chiavo aus den Vereinigten Staaten die Ernährung eingestellt. In Deutschland wurde darüber eine Debatte über den Umgang mit Wachkomapatienten in Gang gesetzt. Stimmen wurden laut, die Ernährung einzustellen, lebenserhaltenden Geräte abzuschalten und selbst die Kosten für die Pflege wurden Gegenstand des kontrovers debattierten Themas.

Bei Manfred Ernst (72), Dr. Adolf Donner (72) und vielen andere Angehörigen der Selbsthilfegruppe Rhein-Ruhr löste diese kontroverse Debatte das Gefühl aus, dass ihren im Wachkoma liegenden Angehörigen das Recht auf ihr Leben abgesprochen wurde. Das war Grund genug, die Öffentlichkeit zu informieren, dass es durch gezielte Förderungen in neurologischen Reha-Kliniken und andere Maßnahmen die Chance für die Hirnverletzten gibt, wieder zu erwachen.

Der belgische Arzt Steven Laureys hat durch neue Untersuchungsmethoden wegweisende Einsichten durch bildgebende Verfahren in diesem Bereich gewonnen. Er konnte nachweisen, dass scheinbar bewusstlose Patienten zumindest über ein gewisses Sprachverständnis verfügen. Ihnen wurden widersinnige Sätze vorgelesen und Hirnareale, die für die Sprache zuständig sind, wiesen währenddessen eine erhöhte Frequenz auf. Auch gibt es drei dokumentierte Fälle in verschiedenen Ländern, in denen Wachkomapatienten durch die Gabe eines Medikamentes zeitweilig ansprechbar wurden und auf ihre Umwelt reagierten.

Andere Patienten, welche am so genannten Locked-in-Syndrom leiden, sind wach, begreifen, was um sie herum geschieht, nehmen über die Augen Blickkontakt auf, verfolgen Ereignisse um sie herum und können ihre Gefühle durch Gestik oder Mimik mitteilen, nur sprechen können sie nicht. Zuwendung, gezielte Förderung der Wahrnehmung und Geduld können zur Genesung der Wachkomapatienten und am Locked-in-Syndrom leidenden Menschen führen, und dafür setzen sich Manfred Ernst, Dr. Alfred Donner und die Angehörigen ein.

Die Selbsthilfegruppe "Wir sind wieder da" (WSWD) wurde zu diesem Zweck gegründet, aber auch, um den 258 gelisteten Mitglieder die Möglichkeit zu bieten, Kontakt zueinander zu halten. Die Mitglieder wohnen in verschiedenen Bundesländern und da einige bestehenden körperliche Einschränkungen haben, sind sie weniger mobil und nutzen die Medien, wie das Internet, um miteinander zu sprechen. Sie treffen sich einmal im Jahr für einige Tage, um Fachvorträge zu hören, Infos über den Forschungsstand im Bereich Wachkoma zu erfahren, aber sie verbringen auch unbeschwerte Zeit miteinander.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort