Unsere Woche Was so alles passiert, wenn die Politik auf Sicht fährt

Dinslaken · Warum Politik oft genug die Nachhaltigkeit ihres Handelns aus dem Auge verliert, weil sie Ärger aus dem Weg gehen will.

Jetzt schlägt sie wieder - die Stunde der Verschwörungstheoretiker, die sich mit ihrer kruden Sicht der Dinge auch gern in den angeblich sozialen Netzwerken tummeln. Seit bekannt ist, dass die Filteranlage im Hiesfelder Freibad defekt und eine Öffnung deswegen nicht möglich ist, gibt es offenbar nicht wenige, die dahinter einen geheimen langfristigen Plan von Politik und Stadtverwaltung vermuten, die das Bad mit dem einzigen Ziel hätten bewusst herunterkommen lassen, das Gelände dann möglichst gewinnbringend vermarkten zu können. Die Stadtwerke-Tochter DINbad, der die Politik das Bad als Pächter aufs Auge gedrückt hat, sei jetzt der willfährige Vollstrecker dieses Langfristplans. Mal abgesehen davon, dass es bislang keinen belegbaren Beweis dafür gibt, dass in der Dinslakener Politik oder im Rathaus irgendjemand den Verkauf des Grundstücks in Hiesfeld ernsthaft betreibt, spricht noch etwas ganz anderes dafür, dass an dieser Verschwörungstheorie absolut nichts dran sein kann.

Wollte man sie ernsthaft in Betracht ziehen, bedeutete dies doch - gewissermaßen als Grundvoraussetzung - dass Politik darauf ausgerichtet wäre, langfristige Ziele zu verfolgen. Schön wär's ja und - die Älteren werden sich vielleicht erinnern - in früheren Zeiten war's ja ab und an tatsächlich so. Heute lehrt die Erfahrung leider vielfach etwas anderes. Wie hat es Bürgermeister Dr. Michael Heidinger im Zusammenhang mit dem Hiesfelder Freibad noch mal ausgedrückt? "Wir sind auf Sicht gefahren." Dieses Prinzip politischen Handelns ist inzwischen immer häufiger zu beobachten und, schlimmer noch, bei diesem auf "Auf-Sicht-Fahren" macht Politik auch schon einmal ganz gerne die Augen zu. Das Hiesfelder Freibad ist dafür ja das beste Beispiel. Hätte die Politik nicht zu Beginn dieses Jahrtausends die Augen vor der Realität verschlossen und eine langfristige Lösung im Sinne aller Dinslakener gesucht, dann wäre das Hiesfelder Bad - so bedauerlich viele dies auch finden würden - schon längst geschlossen. Dann hätte Dinslaken aber auch im Volkspark nicht nur ein neues DINamare, sondern ein Schwimmzentrum mit Freibad, Hallenbad und Lehrschwimmbecken, das allen Ansprüchen gerecht werden könnte.

Und das Hiesfelder Freibad ist ja nicht das einzige Beispiel dafür, dass Politik - obwohl sie den inzwischen zum Modewort avancierten Begriff bei jeder Gelegenheit im Munde führt - die Nachhaltigkeit ihres Handelns gern mal aus dem Auge verliert. Nehmen wir die Entwicklung der Dinslakener Schullandschaft. Da hat die Politik, getrieben von einer recht frisch im Amt befindlichen Dezernentin, die sich, so ist zu vermuten, gern beweisen wollte, gegen durchaus ernstzunehmende Warnungen eine Sekundarschule gegründet, in sie viel Geld investierte, nur um sich gerade einmal vier Jahre später von einem Gutachter bestätigen lassen zu müssen, dass diese Schule eigentlich nie eine richtige Chance hatte. Die Politik hat sich bei ihrer Entscheidung aber eben nicht von langfristigen Überlegungen leiten lassen, sondern - wie beim Hiesfelder Bad - von dem Gedanken, drohendem Ärger möglichst aus dem Weg zu gehen. In beiden Fällen ist sie jetzt von der Realität eingeholt worden. Dass sie daraus aber nun den Schluss zieht, dass es nicht viel bringt, sich mit nur mehr oder weniger kurz tragenden Lösungen Ruhe zu erkaufen, ist längst nicht ausgemacht. Wenn nicht alles täuscht, wird Politik bei der nun notwendigen Umgestaltung der Dinslakener Schullandschaft weiter den Weg des geringsten Widerstands gehen.

Noch ein Beispiel gefällig? Es gibt einen Masterplan zur Dinslakener Stadtentwicklung. Von dem ist vieles bereits umgesetzt worden. Dinslaken hat sich zum Positiven gewandelt. Doch der Widerstand derer, die sich vom Tempo der Entwicklung offenbar überrollt fühlen, wächst. Das Gegrummel über einzelne Planungen wird lauter. Und die Politik zuckt - und zwar zurück. Bei den Plänen zur Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes ist das gerade zu beobachten. Die verfolgen zwar - bei aller berechtigten Kritik am Detail - das langfristig ins Auge gefasste Ziel, dennoch gibt's in der Politik Stimmen, es lieber bei einer bloßen Aufhübschung des Platzes zu belassen. Die kleineren Kräfte im Rat haben das soeben beantragt. Mal sehen, ob die Großen folgen? Auszuschließen ist das nicht.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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