Unsere Woche Wahlkämpfen und hingucken - das wär schön

Dinslaken · Warum auch im beginnenden Wahlkampf die Probleme nicht verkleistert werden sollten.

Es ist schon irgendwie paradox. Jetzt beendet der Sommer seine Pause - wenn wir den Meteorologen trauen dürfen, soll's in der kommenden Woche richtig warm werden - und just dann geht die Sommerpause zu Ende. Schüler müssen wieder in die Schule und Politiker, die ihre Sommertouren, mit denen sie ihre Sommerpause gemeinhin zu überbrücken pflegen, noch gar nicht richtig beendet haben, müssen zurück an die Schüppe, sprich: ins alltägliche politische Geschäft. Na dann schau'n wir mal, was dabei herauskommt.

Nix Gutes, werden jetzt voller Inbrunst und Überzeugung diejenigen rufen, die der Politik im Allgemeinen ohnehin schon lange nicht mehr über den Weg trauen. Und obwohl es für dieses allgemeine, pauschale Misstrauen bei näherem Hinsehen keinen Grund gibt, spricht in der Tat einiges dafür, dass Politik in den nächsten Monaten nicht den besten Auftritt haben wird. Der Grund ist ein einfacher. In Nordrhein-Westfalen wird am 14. Mai kommenden Jahres ein neuer Landtag gewählt. Und deswegen wird ab jetzt mit sich über die Wochen steigender Intensität wahlgekämpft. Das ist an sich ja nichts Verwerfliches, doch die Erfahrung lehrt, dass solche Wahlkämpfe immer auch die hohe Zeit der Schönredner, der Erfolge-nur-für-sich-Verbucher, der den-politischen-Gegner-Angifter und der die-Probleme-Wegdiskutierer sind. Und weil sich Wahlkämpfe nicht auf die Ebene begrenzen, um die es geht - in diesem Fall die des Landes - dürfen wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das ganze Gekämpfe auch auf die kommunale Politik abfärben wird. Die Folge, auch das ist sattsam gemachte Erfahrung: Es wird schwieriger, politische Sachdebatten zu führen, der Blick auf die Realität wird manchmal gar seltsam verschwommen. Beispiel gefällig: Norbert Römer, Chef der SPD-Landtagsfraktion, war - siehe oben - auf Sommertour, hat in Lohberg Station gemacht und die Entwicklung des ehemaligen Zechenstadtteils als Beispiel dafür reklamiert, dass "wir im Revier" Wandel können. Mit Verlaub, das ist eine mehr als kühne Behauptung. Sicher, in Lohberg ist eine Menge in Bewegung geraten und die Landesregierung hat diese Entwicklung kräftig unterstützt. Kann aber wirklich davon die Rede sein, dass Lohberg dafür steht, dass der Wandel "ohne soziale Umbrüche, politische Eruptionen und bleibende Narben", wie Römer das gerne hätte, gelingen kann? Doch wohl eher nicht. Mit den vielen Millionen Euro, die in den Stadtteil geflossen sind, hat sich ohne Frage städtebaulich viel zum Positiven gewendet. Beispielsweise gibt's einen schicken Bergpark. Zyniker dürften allerdings anmerken, dass der von der Bevölkerung so gut angenommen wird, dass sich die Stadt gezwungen sieht, einen "Hausmeister" zu beschäftigen, der dort ständig nach dem Rechten sieht. Und die Probleme? Entwicklung der Grundschule? Integration? Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Jugendliche, denen es an Perspektiven fehlt? Wer hinsieht, wird erkennen, dass in Lohberg noch vieles im Argen liegt und auf Lösungen wartet. Auch wenn Wahlkampf ist.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort