Voerde Von Netzen, Kohle und Wasserbau

Voerde · In seinem Berufsleben hat der 89-jährige Hans-Joachim Kaufmann aus Voerde einiges erlebt. Im Zweiten Weltkrieg endete seine Kindheit und es begann eine Karriere als Netzmacher, Bergmann und später Ingenieur im Wasserbau.

 Viele Bilder aus einem bewegten Leben: Hans-Joachim Kaufmann hat noch sehr viele alte Fotos aus seiner Kinder- und Jugendzeit in einem Ordner abgeheftet. Er erinnert sich gerne an die Vergangenheit zurück. RP-Fotos (3): Martin Büttner

Viele Bilder aus einem bewegten Leben: Hans-Joachim Kaufmann hat noch sehr viele alte Fotos aus seiner Kinder- und Jugendzeit in einem Ordner abgeheftet. Er erinnert sich gerne an die Vergangenheit zurück. RP-Fotos (3): Martin Büttner

Foto: Büttner Martin

Als er 16 war, endete Hans-Joachim Kaufmanns Jugend in Schlesien mit einem einzigen Brief. Es war sein Einberufungsbefehl zur Luftwaffe. Kaufmann erlebte den Krieg direkt mit, musste mit ansehen, wie Freunde ums Leben kamen. "Das hat mich für den Rest meines Lebens geprägt und lässt mich bis heute nicht los", verrät der 89-Jährige heute. Im Januar 1945 riss der Krieg die Familie auseinander. Sein Vater starb an der Front. Er selbst wurde mit einem Zug von der Front wegtransportiert, geriet am Ende im Westen in Kriegsgefangenschaft. "Wir hatten in der Familie vereinbart, dass wir uns bei meinem Großonkel in Hamburg treffen würden, falls wir auseinandergerissen werden", erzählt Kaufmann. So kam er 1946, damals gerade 18 Jahre alt, in die Großstadt. "Mein Großonkel hatte eine Netzmacherei auf dem Hamburger Fischmarkt und ich bin dann bei ihm in die Lehre gegangen", erzählt der 89-Jährige. Eigentlich war er nach der Lehre für die Geschäftsführung im Laden seines Verwandten vorgesehen. "Ich habe mir aber nicht alles von ihm gefallen lassen und bin dann schließlich gegangen", erzählt er.

 Hans-Joachim Kaufmann während seiner Zeit als Bergmann.

Hans-Joachim Kaufmann während seiner Zeit als Bergmann.

Foto: Büttner Martin

So kam er dann 1948 nach Elsfleth an der Weser. Dort traf er seine Mutter und seine Geschwister wieder. Er brachte sich selbst bei, Einkaufsnetze zu knüpfen, und verkaufte diese an der Tür, um etwas Geld zu verdienen. "Ich brauche bis heute keine Plastiktüten", erzählt er stolz. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser und gab Geld an die Familie ab, arbeitete erst bei einem Gemüsehändler und dann bei einer Reederei. "Eigentlich war es immer mein Wunsch, Lehrer zu werden. Aber weil kein Geld da war, konnte ich nicht studieren", berichtet er. Auf dem Arbeitsamt wurde ihm dann eine Möglichkeit aufgezeigt, eine höhere Bildung mit dem Geldverdienen zu kombinieren: Er solle ins Ruhrgebiet gehen und dort im Bergbau anfangen. So kam er in die Gegend, arbeitete mit Presslufthammer unter Tage im Kohleabbau, kletterte "wie ein Äffchen" in steilen Kohleflözen herum. "Aber ich hatte mir auch vorgenommen, die Schule zu besuchen", erklärt er. So ging es für ihn auf die Bergvorschule und schließlich auf die Bergvorschule und Kaufmann wurde zum Bergbau-Ingenieur. "1965 habe ich gesehen, dass es im Bergbau keine große Zukunft gab und wollte von der Zeche weg", erklärt er. Seine Frau entdeckte in der Zeitung eine Stellenausschreibung beim Wasser- und Schifffahrtsamt. Dort suchte man einen Ingenieur für den Wasserbau.

 Beim Wasser- und Schifffahrtsamt plante und überwachte Hans-Joachim Kaufmann verschiedene Baustellen, wie diese am Rhein in Xanten-Beek.

Beim Wasser- und Schifffahrtsamt plante und überwachte Hans-Joachim Kaufmann verschiedene Baustellen, wie diese am Rhein in Xanten-Beek.

Foto: Büttner Martin

"Ich habe mich dann beworben, auch wenn ich eigentlich Bergbauingenieur war", berichtet Kaufmann. Und er wurde genommen, nachdem sein neuer Dienstherr zuvor mit seinem Bergschuldirektor telefoniert hatte, um sich zu versichern, dass Kaufmann auch für diese Stelle geeignet war. Seine erste Baustelle waren die Rampen in den Rhein zwischen Xanten und Bislich. "Da wurde ich von einem Bauern mit einer Mistgabel bedroht", berichtet er. Denn der Landwirt hatte für das Gelände, das für den Bau in Beschlag genommen werden sollte, noch kein Geld erhalten. Ein Einstieg in den neuen Beruf, an dem sich Kaufmann auch noch heute lebhaft erinnert. 16 Rampen-Bauwerke plante und betreute Hans-Joachim Kaufmann während seiner Dienstzeit, darunter auch die Rampen der Rheinfähre in Walsum.

1992 ging Hans-Joachim Kaufmann in Pension. In seinem Fall eher ein "Unruhestand". Denn er engagierte sich ehrenamtlich bei der DLRG, wo er Rettungsschwimmer ausbildete und beim Weißen Ring. Bis heute fährt er zwei Mal im Monat mit seinem Akkordeon ins Wilhelm-Lantermann-Haus, wo er die Bewohner des Altenheims mit Musik erfreut. "Ich führe sie zurück in ihre Jugendzeit", sagt Kaufmann. Und ein wenig gilt das sicher auch für den 89-Jährigen selbst.

(RP)
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