Dinslaken Theatertreffen: Stürmisch gefeiert

Dinslaken · Mit zwei vorzüglichen Inszenierungen wurde das Akzente-Schauspieltreffen im Stadttheater beendet: Das Schauspiel Frankfurt gastierte mit der "Blechtrommel", das Wiener Burgtheater am Tag darauf mit Shakespeares "Sturm".

Riesengroße und kostspielige Produktionen kann die Stadt Duisburg derzeit nicht finanzieren. Stattdessen wurden für das Akzente-Theatertreffen kleine, aber feine Gastspiele ins Theater der Stadt Duisburg geholt. Und jetzt zum Abschluss wurde gezeigt, dass auch riesengroße Schauspielvorlagen von einem kleinen Ensemble umgesetzt werden können.

Die Frankfurter "Blechtrommel"-Inszenierung war da geradezu ein Paradebeispiel. Den Roman, der den Weltruhm von Günter Grass begründete, hat Oliver Reese in ein Einpersonenstück umgewandelt. Auf der Bühne steht mit Nico Holonics ein Schauspieler, der zweieinhalb Stunden lang die Zuschauer fesseln kann. Holonics erzählt und spielt als Oskar Matzerath die vielen Geschichten des Romans: Von der Großmutter mit den vier Röcken und der kuriosen Zeugung von Oskars Mutter auf dem Kartoffelacker. Von Oskars Entschluss, im Alter von drei Jahren das Wachsen einzustellen, um fortan das Geschehen aus der scheinbar naiven Perspektive eines Kindes zu kommentieren, das trommelnd die Verstrickungen der Erwachsenen in die Naziideologie entlarvt und zugleich auf die Erfüllung seiner Lebensbedürfnisse bedacht ist. Natürlich fehlen in der Inszenierung auch nicht jene Episoden, die schon Schlöndorff in seiner grandiosen, übrigens Oscar-gekrönten Verfilmung gezeigt hatte: also das Brausepulver im Bauchnabel von Oskars erfahrener Freundin Maria und der Pferdekopf als Aal-Falle. Im Gegensatz zu Schlöndorff, der das alles zeigen konnte, hat Nico Holonics die schwere Aufgabe, davon so zu erzählen, dass die Bilder im Kopf der Zuschauer lebendig werden. Das gelingt ihm phantastisch gut. Der Lohn war lang anhaltender Applaus des Publikums, das sich vor Begeisterung von den Sitzen erhob.

Doch Nico Holonics hatte noch ein Anliegen auf dem Herzen: Angesichts der am Freitagabend noch bevorstehenden Wahlen ließ er seine Rolle hinter sich und teilte als Bürger seine Sorgen wegen des Aufkommens der AFD mit. Dazu las er einen Artikel einer Frankfurter Journalistin vor, die das AFD-Wahlprogramm analysierte und zu demaskieren suchte. Auch für seine private politische Stellungnahme bekam Holonics Applaus in Duisburg.

Vor vollem Haus gastierte am Samstagabend das Wiener Burgtheater mit Shakespeares "Sturm", eines der schönsten Stücke des Welttheaters. Man kann den "Sturm", das letzte Stück Shakespeares und gewissermaßen sein Vermächtnis an die Nachgeborenen, mit einem guten Dutzend Schauspielern besetzen, doch Regisseurin Barbara Frey inszenierte den "Stoff, aus dem man Träume macht" mit nur drei großen Rollen, die allerdings gelegentlich aufgesplittet werden: Prospero, Ariel und Caliban. Das Faszinierende an dem Wiener Theaterabend ist, dass diese Reduktion keineswegs als Mangel empfunden wird, vielmehr als ein genialer Kunstgriff, der den Gehalt von Shakespeares Stück fokussiert und für Ohren und Verstand der Menschen von heute aufbereitet. Shakespeares große Lebensschau, die Verflechtung von Macht, Schuld, Rache, Vergebung, Liebe und auch Tod, zeigt die Inszenierung auf eine überaus leichtfüßige und oft auch umwerfend witzige Weise. Das Schwere und das Leichte halten sich in dem eineinhalblstündigen, überaus intensiven Theaterabend die Waage. Dass das gelingt, liegt natürlich an den überragenden Schauspielern: Maria Happel, Joachim Meyerhoff und Johann Adam Oest. Die Inszenierung hatte übrigens bereits 2007 in Wien Premiere und wurde kürzlich wieder ins Repertoire aufgenommen. Davon konnte wir jetzt in Duisburg profitieren. Der "Sturm" wurde stürmisch gefeiert.

(pk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort