Dinslaken So wurden aus Mädchen gute Hausfrauen

Dinslaken · Die Werksfürsorge im Ledigenheim: Werksbücherei, Nähstube, Höhensonnenraum waren die ersten Einrichtungen.

 Inge Kresse (heute Litschke), Helga Schwartz, Anneliese Kersken, Hannelore Rudolph (v.l.n.r.) lernten im Ledigenheim das Kochen.

Inge Kresse (heute Litschke), Helga Schwartz, Anneliese Kersken, Hannelore Rudolph (v.l.n.r.) lernten im Ledigenheim das Kochen.

Foto: Kempken

Elf Jahre sind seit der Inbetriebnahme des Ledigenheimes vergangen. Eine bewegte Zeit hat es trotz der Kürze schon hinter sich. So war das Ledigenheim während der März-Unruhen von 1920 zeitweise Hauptquartier und Lazarett der Roten Armee. Doch diese Zeiten gehören 1927 längst der Vergangenheit an und das "normale" Leben hat wieder Einzug gehalten. Und mit ihm die Werksfürsorge.

In die Räumlichkeiten der Werksfürsorge führte ein eigener Eingang links vom Haupteingang des Ledigenheimes, berichtet Dr. Inge Litschke. Werksbücherei, Nähstube, Höhensonnenraum waren die ersten Einrichtungen der Werksfürsorge, die bis zum Ende des 2. Weltkrieges von Schwester Therese geführt wurde. Anschließend lag die Verantwortung bei Schwester Gerda Schnekel und Schwester Hanni Buhren, zwei ausgebildeten Sozialfürsorgerinnen.

Ab etwa 1950 kam eine Werkslehrerin hinzu, Gisela Hoffmann, eine Schwägerin des damaligen Bergwerksdirektors Dr. Werner Hoffmann. Wobei Gisela die Schwester seiner Frau ist, die zufälligerweise ebenfalls einen Mann namens Hoffmann geheiratet hat, erzählt Inge Litschke eine kleine Anekdote am Rande. Gisela Hoffmann bot aber nicht nur Werken und Basteln, sondern auch Diskussionsrunden, Vorlese- und Tanzstunden an. Musikalisch begabt führte sie auch kulturelle Angebote für die Bergleute und ihre Familien ein. Bis dato hatte es nur Ausflüge und Fahrten und lediglich eine Weihnachtsfeier für die Näherinnen der Werksfürsorge gegeben. In den Genuss der Höhensonne kamen vor allem Mütter mit ihren Kindern. Der Hausarzt verschrieb die Behandlung und schon konnte es losgehen. Die Kinder versammelten sich in Gruppen zu Viert auf einem breiten Ledersofa. Eine Brille sollte vor den ultravioletten Strahlen schützen, ein bis zwei Minuten von jeder Seite genossen sie mehr oder weniger die Höhensonne als vorbeugende Maßnahme gegen Rachitis. Die Mütter hatten die Behandlung natürlich jede für sich und nahmen sie auch rege für sich und ihre Kinder in Anspruch.

Auch die Werksbücherei der Werksfürsorge erfreute sich immer größer werdender Beliebtheit. "Ich habe durch sie meine Leidenschaft fürs Lesen entdeckt", erzählt Inge Litschke. Nun hatte die Werksbücherei jedoch keinen allzu großen Bestand an Kinder- und Jugendbüchern und schon bald konnte die kleine Inge alle Bücher auswendig aufsagen. Kurzentschlossen meldete der Vater sich und seine Tochter in der Stadtbücherei an und so fuhren die beiden einträchtig mit der Straßenbahn von Lohberg in die Dinslakener Innenstadt und versorgten sich regelmäßig mit weiterem Lesestoff. 1953 wurde im Rahmen der Werksfürsorge im Erdgeschoss des Ledigenheimes eine Lehrküche mit vier Kochkojen eingerichtet. Hier wurde den Bergmannstöchtern und -frauen von Hauswirtschaftslehrerinnen das Kochen beigebracht. Bergwerksdirektor Werner Hoffmann wollte, dass ein Arbeiter von einer Frau versorgt wurde, die etwas von Ernährung verstand, erzählt Inge Litschke. Auch sie hat ihre Kochkenntnisse dort bei der Werksfürsorge erworben.

In Vierer-Gruppen erlernten die Frauen und Mädchen dort auch nebenbei die Haushaltsführung und später auch das Backen. Denn die Kochkurse erfreuten sich allergrößter Beliebtheit und wurden ständig erweitert. 23 Jahre alt sei sie gewesen, als sie den Kochkurs der Werksfürsorge besuchte und noch Junggesellin. Ein Jahr später heiratete Inge Litschke, "da konnte ich die Kochkünste gut gebrauchen".

Auch Jahre später sollte sich der Kochkurs der Werksfürsorge als sehr wichtig für Inge Litschke erweisen. Sie studierte an der Uni nämlich unter anderem Haushaltswissenschaft. Eine ihrer Professorinnen wollte weg vom Kochlöffel-Image ihrer Studierenden und hatte sehr wenig Wert darauf gelegt, dass ihre Hauswirtschafterinnen kochen konnten. Inge Litschke aber leitete später an der Uni die Kochgruppen und konnte auf die Kenntnisse des Erlernten bei der Werksfürsorge im Ledigenheim aufbauen.

Zum großen Bedauern der Lohberger Bevölkerung wurden 1969 beim Übergang der Zeche Lohberg in die Ruhrkohle AG die Einrichtungen der Werksfürsorge aus Ersparnisgründen geschlossen und als "sozialer Klimbim" diskreditiert, schloss Litschke ihre Geschichte der Werksfürsorge.

(RP)
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