Kolumne Neu In Der Stadtbücherei Rauschzeit: Die Liebe als Hoffnungsschmerz

Dinslaken · Arnold Stadlers Romane sind voll traurig-komischer Figuren und skurriler Situationen. Sie verbinden auf unverwechselbare Weise ein ironisch-melancholisches Erzählen mit der Lust an der Abschweifung und geschliffenen Aphorismen. 1999 erhielt Arnold Stadler für sein Gesamtwerk den wichtigsten deutschen Literatur-Preis: den Georg-Büchner-Preis.

Sein neuer 550 Seiten starker Roman wurde von der Kritik als großer Wurf bewertet und sofort für den Deutschen Buchpreis 2016 nominiert. Es ist wieder ein typischer "Stadler", mit den für ihn typischen Figuren, die auf der Suche nach dem verlorenen Glück sind. Da sind Alain und Mausi, beide 40 Jahre alt und seit 15 Jahren verheiratet, beide desillusioniert und nostalgisch einer glücklicheren Vergangenheit nachtrauernd, die es aber in Wahrheit so nie gab. Oder um es mit einem typischen Stadler-Satz auszudrücken: "Die Zukunft war damals meine Sehnsucht, wie nun die Vergangenheit meine Heimat ist."

Doch es bleibt nicht beim melancholischen Rückblick auf eine verklärte Vergangenheit, nach dem Motto: "Ich war einmal." Der überraschende Selbstmord einer engen Freundin aus ihren gemeinsamen Freiburger Studententagen in den frühen 1980er Jahren macht bei beiden, Alain und Mausi, die Erinnerung an vergangene "Rauschzeiten" wieder lebendig und wird bei beiden zum Anstoß für eine neue Liebesaffäre mit einem anderen Partner.

Doch zuvor geht es auf Erinnerungsreise in die Freiburger Studentenjahre, die zugleich die Jahre des Aufbruchs und des größten Liebesglücks wie Liebesleids waren. Zwei Paare, Alain und Babette und Toby und Mausi leben in einer WG zusammen und machen im Sommer 1983 gemeinsam Urlaub an der französischen Atlantikküste. Dort trennen sie sich und finden sich später zu neuen Paarkonstellationen zusammen. 2004, in der Erzählgegenwart, erleben Alain und Mausi dann noch einmal eine "Rauschzeit" - Ausgang offen.

Der neue "Stadler" lässt sich als melancholische Lebensbetrachtung lesen, aber auch als unterhaltsame Zeitgeistreise.

Er ist trotz aller Abschweifungen süffig zu lesen und überzeugt vor allem in seinem hintergründigem Humor.

DR. RONALD SCHNEIDER

Stadler, Arnold: Rauschzeit; S. Fischer Verlag: 2016.

(RP)
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