Dinslaken/Wesel Mutter des Opfers: Enkel war liebes Kind

Dinslaken/Wesel · Im Prozess um den Mord an der Dinslakenerin Dagmar E. hat die Mutter (84) der 58-Jährigen vor dem Duisburger Landgericht ausgesagt. Ein halbes Jahr hatte sie damals vergeblich darauf gewartet, dass ihre Tochter sich meldet.

Die 58-jährige Kosmetikerin Dagmar E. war am 30. September 2014 zuletzt lebend gesehen und anschließend von ihrem Sohn als vermisst gemeldet worden. Die Mutter des Opfers hatte immer noch Hoffnung, dass ihre Tochter sich irgendwann melden würde. Dann erfuhr sie plötzlich, dass ihr eigener Enkel gestanden hatte, am Tod der Frau beteiligt gewesen zu sein. Der heute 25-jährige Sohn Alexander E. hatte die Polizei selbst zur Leiche seiner Mutter geführt. Bei der Beerdigung befand er sich schon in Untersuchungshaft. Mit ihm angeklagt sind drei Brüder im Alter von 19, 21 und 26 Jahren, die mit ihm befreundet waren.

"Das war ein ganz ganz liebes, sonniges Kind", sagte die 84-jährige Mutter von Dagmar E. über ihren Enkel, der im Oktober 2014 dabei zugesehen haben soll, wie andere seine Mutter ermordeten. Als er klein war, habe sie sich sehr viel um ihn gekümmert, berichtete die zierliche, gepflegte Seniorin. Ihr Enkel habe immer gelacht, sei anderen im Kindergarten geistig weit voraus gewesen und habe keine schweren Krankheiten gehabt. Dann sei die Familie mit ihm weggezogen und man habe sich selten besucht. Nach Jahren kehrte Dagmar E. mit ihrem Sohn nach Dinslaken zurück. Sie habe ihn unterstützt, weil ihr Enkel studierte. Einen Nebenjob habe er sich trotz ihrer Aufforderung nicht gesucht.

Sie kenne die drei mitangeklagten Brüder, bestätigte die 84-Jährige. Die seien immer bei ihm gewesen und hätten sie sehr herzlich behandelt. Dennoch sei ihr Enkel ihr eingeschüchtert vorgekommen. Sie habe ihn aufgefordert, er solle sie einmal alleine besuchen. Sie hatte das Gefühl, die Freunde würden ihn ausnutzen und hätten im "eine Gehirnwäsche" verpasst.

"Er war nicht pünktlich, nicht zuverlässig und er hat gelogen", das wisse sie. Sie sei sich aber sicher gewesen: "Der hat seine Mutter nicht ermordet, der liebt sie." Das habe sie den Polizeibeamten gesagt. Anfang Oktober 2014 wollte sie ihre Tochter anrufen, weil die sie am Wochenende abholen sollte. Sie erreichte sie weder zu Hause noch bei der Arbeit. Dann habe sie mit dem Enkel telefoniert, der in der selben Wohnung in Dinslaken lebte.

Der erzählte ihr, seine Mutter sei am Vorabend mit Kopfschmerzen ins Bett gegangen. Vielleicht schlafe sie ja noch oder sei kurz unterwegs. Auto, Handy und Portmonee seien jedenfalls noch da. Eine Erschütterung sei ihm nicht anzumerken gewesen. Im folgenden halben Jahr habe sie vor ihm und seinen Freunden oft darüber gesprochen, was der 58-Jährigen alles zugestoßen sein könnte. Ihr Enkel habe so getan, als wisse er von nichts, sie mit seinem treuen Hundeblick angesehen und immer nur belogen. Einmal habe sie noch mit ihrem Enkel telefoniert, als er schon in Untersuchungshaft war. Da habe er ihr doch tatsächlich noch weismachen wollen, dass es ein Unfall war. "Und ich wusste doch schon von der Polizei, dass sie erwürgt worden war", sagte sie dem Richter.

Dass der Enkel sie belügt, habe ihr schon Monate zuvor eine Freundin gesagt. Dabei sei es unter anderem um die Quittung über 500 Euro gegangen, die die Rentnerin bei der Wäsche in der Hose ihres Enkels fand. Der habe gesagt, das Geld habe er für einen auf der Straße gefundenen Ring bekommen. Sie aber habe geahnt, dass stattdessen heimlich Schmuck der Vermissten verkauft worden war. Ihr Enkel habe aber immer wieder beteuert, der Schmuck seiner Mutter und 1000 Euro aus einem Bausparvertrag seien im Keller versteckt.

Später fand sie heraus, dass 1000 Euro, die aus dem Verkauf des Geschäftsinventars der Verstorbenen stammten, auf das Konto eines der Mitangeklagten überwiesen worden waren. Sie werde nicht den kompletten Prozess verfolgen, hatte sie schon am ersten Verhandlungstag angekündigt. "Ich will nur wissen, dass die verurteilt werden", sagte die Rentnerin gestern mit Blick auf die Anklagebank.

(RP)
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