Dinslaken Das Amselsterben am Niederrhein

Dinslaken · Deutschlandweit ist ein massives Vogelsterben zu beobachten. Der Grund dafür ist ein tropisches Virus, das von Stechmücken übertragen wird. Der Kreis Wesel ist besonders betroffen. Auch Eulen und Käuze sind gefährdet.

Massives Vogelsterben in Deutschland: Amselsterben am Niederrhein
Foto: Reiner Jacobs

Amseln, die apathisch wirken, schwanken und wenige Tage später sterben, sind momentan keine Seltenheit: Haufenweise tote Amseln werden in Deutschland gemeldet - auch am Niederrhein und vor allem auch im Kreis Wesel ist das Phänomen zu beobachten. Der Grund für das hohe Vogelsterben ist ein tropisches Virus, das durch Stechmücken übertragen wird. Schon in den Jahren 2011, 2012 und 2015 löste das Usutu-Virus in Deutschland ein Massensterben von heimischen Vögeln aus - fast immer handelte es sich dabei um Amseln. Sie sind besonders empfänglich für das Virus. Aber auch Usutu-Fälle bei Eulen und Käuzen hat es gegeben.

Vor gut zwei Wochen hat der Nabu erneut damit begonnen, die Meldungen von erkrankten und toten Vögeln zu sammeln: Inzwischen sind es in Deutschland 850 Usutu-Verdachtsfälle, die bei dem Naturschutzbund eingegangen sind. Dass es sich auch in diesem Jahr wieder um das Usutu-Virus handelt, konnte schon bestätigt werden. Die Meldezahlen sind bislang jedoch nur mögliche Infizierungen. Aus der Erfahrung hält der Weseler Nabu-Vorsitzende, Peter Malzbender, einige dieser Meldungen aber für plausible Usutu-Fälle.

Waren es in den Anfangsjahren insbesondere die Regionen entlang des Rheins, von Freiburg bis Köln, hat sich das Virus nun weiter ausgebreitet: Die meisten Meldungen kommen jedoch aus dem Westen Nordrhein-Westfalens. Neben Wesel ist besonders der Kreis Kleve stark betroffen.

Es ist das erste Mal, dass das Virus gehäuft in dieser Gegend auftritt. Für Peter Malzbender ist das auch der Grund dafür, dass die Vogelsterblichkeit dort besonders hoch sein könnte. Während Amseln aus bereits befallenen Regionen eine Immunität gegen das Virus aufbauen konnten, sind die Vögel aus noch nie infizierten Gebieten anfällig. "Bei uns haben sich in den vergangenen zwei Wochen ungewöhnlich viele Menschen gemeldet, die mit toten oder völlig apathischen Amseln zu tun hatten", sagt Malzbender. Das sei ein Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um das Virus handelt. Der letzte große Ausbruch habe rund 300.000 Tiere das Leben gekostet.

Auch Stefanie Heese, Naturschutzreferentin der Naturstation Niederrhein des Nabu, hat sich mit dem Vogel-Virus beschäftigt. Generell lasse sich über die neuen Verbreitungsgebiete sagen, dass es sich um Gegenden handelt, in denen es zuletzt hohe spätsommerliche Temperaturen gegeben hat. Zusammen mit der Nähe zum Gewässer bilden sie ideale Bedingungen für Mücken, durch die das Virus übertragen wird.

Dabei handelt es sich nicht nur um tropische Ansteckungsherde: Auch einheimische Mücken können zum Träger des Virus werden, etwa durch den Kontakt zu einem erkrankten Vogel. Neben der Amsel gehören auch Eulen und Käuze zu den gefährdeten Arten. Für den Menschen stellt das Virus nach Auskunft von Kreisveterinärin Susanne Diekmann aber keine Gefahr da: "Es sind in der Vergangenheit zwar schon einige wenige Übertragungen festgestellt worden. Es handelte sich dabei allerdings um Personen mit einem ohnehin schon geschwächten Immunsystem." Das Virus selbst stammt ursprünglich aus Afrika und kam durch Obsttransporte nach Europa. "Infizierte Amseln lassen sich an einem auffälligen Verhalten erkennen", sagt Diekmann. "Sie wirken apathisch, machen unkontrollierte Bewegungen und ergreifen nicht die Flucht, wenn Spaziergänger sich nähern."

Heese und Malzbender rufen dazu auf, dem Nabu auffällige Vögel zu melden. Tote Vögel können gemeldet und zu einer virologischen Untersuchung an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg geschickt werden. Dafür dürfe die Amsel jedoch nicht länger als einen Tag tot sein, so Heese. Auch wenn keine Ansteckungsgefahr für den Menschen besteht, empfehlen die Experten die toten Tiere nur mit Handschuhen zu berühren. Funde im Kreis Wesel können außerdem nach Ankündigung im Veterinäramt abgeben werden. Von dort aus werden die Amseln an das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper weitergeleitet.

Für den Nabu ist eine genaue Erfassung wichtig, um die Ausbreitung und Folgen der neuen Vogelkrankheit zu verstehen. Die Naturschützer bitten deshalb um Mithilfe. Eine Melde- und Anzeigepflicht gibt es dagegen nicht. Ebenso können keine Vorkehrungsmaßnahmen getroffen werden, um den erkrankten Vögeln zu helfen. "Während es generell empfehlenswert ist, Wasser- und Vogelfutterstellen sauber zu halten, kann bei einer Übertragung durch die Mücke nicht viel getan werden", sagt Heese.

Welche Auswirkungen das erneute Amselsterben auf die Population haben wird, darüber kann bislang nur spekuliert werden. "Die Amsel ist mit acht Millionen Brutpaaren aber einer der häufigsten Vögel in Deutschland", sagt Malzbender. "Wenn alles normal läuft, wird sich die Population bald wieder erholen."

(RP)
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