Dinslaken Madrigalchor - zweimal Bach und dazwischen Dieter Schnebel

Dinslaken · Konzert in der Vincentius-Kirche am 6. Dezember: Das "Magnificat" als Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit.

 Dorothee Klimek, Brigitte Boland, Friedhelm Krupp, Prof. Dieter Schnebel, Theo Güldenberg und Christoph Scholz mit der Partitur des "Magnficats". Vor der Chorprobe stellten sich Komponist und Vertreter des Madrigalchors den Fragen der Presse.

Dorothee Klimek, Brigitte Boland, Friedhelm Krupp, Prof. Dieter Schnebel, Theo Güldenberg und Christoph Scholz mit der Partitur des "Magnficats". Vor der Chorprobe stellten sich Komponist und Vertreter des Madrigalchors den Fragen der Presse.

Foto: Lars Fröhlich

Wenn der Madrigalchor unter der Leitung von Christoph Scholz am Sonntag, 6. Dezember, Beginn 18 Uhr, in Sankt Vincentius nicht nur das "Magnificat" von Johann Sebastian, sondern auch das von Carl Phillipp Emanuel Bach aufführt, wird Dieter Schnebel besonders interessiert zuhören. Denn das Werk von 1749 ist auch für den mittlerweile 85-jährigen Musikwissenschaftler musikalisches Neuland. "Ich kenn es gar nicht. Aber Carl Philipp Emanuel Bach ist ein kühner Komponist", erklärte er am Mittwoch im Vorfeld einer Probe des Madrigalchors im Dinslakener Otto-Hahn-Gymnasium, für die er eigens aus Berlin angereist war.

Kühn. Das ließe sich auch von Dieter Schnebel selbst sagen. Der Schwarzwälder studierte Musik und evangelische Theologie, war als Pfarrer und als Lehrer tätig, bevor er 1976 zum Professor für Experimentelle Musik an der Hochschule der Künste Berlin berufen wurde. Da hatte er sich bereits seit einem Vierteljahrhundert einen Namen als kompromissloser Komponist der Darmstädter Avantgarde gemacht. In einer seiner Kompositionen ließ er Harley Davidsons aufheulen. "Das zählt zu meinen Erfolgsstücken", sagt er und lächelt leise.

Musik sei dem Leben nachgebildet, in ihrem Kern sei sie der Wechsel von Spannung und Entspannung. Und so sind aufgelöste Tonalität und ungewöhnliche Klangquellen nur eine Seite seines kompositorischen Werkes. In der Vincentius-Kirche wird der Madrigalchor mit Schnebels "Magnificat" einen Kontrapunkt zu den Werken von Bach-Vater und -Sohn setzen.

Schnebel schrieb das Werk für Schola, Chor, Orgel und Percussion "als Gebrauchsmusik für einen Vespergottesdienst" für Studenten der Regensburger Kirchenmusikschule. Es vereinigt Schnebels Idee vom "Raum in der Musik" mit der für den Komponisten zentralen Visualisierung von Klang, szenischer Darstellung durch die Bewegung der Sänger in der Kirche und seine von Ernst Bloch beeinflusste Auffassung der Vergangenheit als einem nicht abgeschlossenen Prozess. In Schnebels Werk greift der Chor die einzelnen Töne des in sich unveränderten gregorianischen "Magnificat" auf, lässt diese als Akkorde und Cluster nachklingen.

Es ist kein Gegeneinander von Tradition und Avantgarde, Schnebel selbst spricht von einem Dialog. Und doch wird das, was zu Beginn an den Nachhall ineinander verschwimmender Klänge in einer Kirche erinnert, sich zur "ungeordneten Ekstase" steigern. "Das Magnificat mit dem sozialrevolutionären Impetus der Psalmen ist wegen der Flüchtlingsproblematik besonders aktuell", so Schnebel.

Zweimal Bach und dazwischen Schnebel: Christoph Scholz fordert seinen Madrigalchor. "Der Chor hat keine Ahnung von neuer Musik", gesteht Theo Güldenberg. Um so erfreulicher ist es, das Dieter Schnebel keinerlei Berührungsängste kennt. Im Gegenteil: "Mich freut es, wenn so genannte Laien meine Musik spielen. Ich finde, Komponisten sollten sich gesellschaftlich engagieren und dafür sorgen, dass ihre moderne Musik auch unter die Leute kommt."

Am 6. Dezember ab 18 Uhr wird Dieter Schnebel dabei sein, wenn sein Magnificat als eines von dreien "unter die Leute kommt".

Karten gibt es zum Preis von 15 Euro, ermäßigt sieben Euro, in den Buchhandlungen Korn, Thalia und Lesezeit.

(RP)
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