Auschwitz-Tagebuch Lichtblicke der Menschlichkeit im Lager

Dinslaken · Der Projektkurs "Gegen das Vergessen" des Gymnasiums Voerde hält sich gegenwärtig in Polen auf. Die Oberstufenschüler berichten von dort für die Rheinische Post über ihre Erfahrungen und Eindrücke.

AUSCHWITZ/VOERDE "Es ist passiert, also kann es auch wieder passieren", sagte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi über den Holocaust. Das Zitat findet sich in der israelischen Ausstellung in der Gedenkstätte des ehemaligen Stammlagers Auschwitz I, das wir, der Projektkurs "Gegen das Vergessen, besucht haben. Ob wir uns mit dem tragischsten Kapitel der Geschichte beschäftigen wollen, ist unsere Entscheidung. Wenn wir nicht darüber reden, wiederholt sich die Geschichte, wenn wir das Vergangene in lebendiger Erinnerung bewahren, besteht die Chance, dass wir aus der Geschichte lernen, indem wir verstehen, was geschah. Es liegt in unserer Hand, diese Entscheidung zu treffen.

Auschwitz ist heute zum Symbol für die unvorstellbaren grausamen Taten der Nazis geworden. In keinem anderen Lager sind so viele Menschen umgekommen, wie in Auschwitz. In den Jahren 1940 bis 1945 ließen 1,3 Millionen von den insgesamt 6,3 Millionen Opfern der Nationalsozialisten ihr Leben in Auschwitz. Es waren Juden, Sinti und Roma, politische Gegner, Kriegsgefangene, Homosexuelle oder Zeugen Jehovas.

Begonnen hat unsere Führung unter dem Eingangstor, über dem der Satz "Arbeit macht frei" zu lesen ist. Dieser Satz war natürlich purer Zynismus und diente nur der Demütigung der Inhaftierten. Wie Lagerkommandant Rudolf Höß bemerkte, führte der einzige Weg aus Auschwitz hinaus durch den Schornstein. Das Lager in Auschwitz hatte zwei Funktionen, nämlich die Konzentration von Häftlingen und die Vernichtung von politischen Gegnern. Hierfür wurde Auschwitz als geeigneter Ort empfunden, da dort schon vor der Invasion der Nazis eine polnische Kaserne stand, welche zur Unterbringung der Häftlinge umfunktioniert worden war. Außerdem bestand eine gute Eisenbahnverbindung. Die eigentliche Massenvernichtung fand jedoch nicht im Stammlager statt, sondern im 1941 in Birkenau errichteten Arbeits- und Vernichtungslager. Im Stammlager selbst gab es eine Gaskammer und ein Krematorium, die bis zur Errichtung des Vernichtungslagers genutzt wurden. Davor und danach starben die Menschen hier aufgrund von Zwangsarbeit, Hunger und regelmäßigen Exekutionen. Bei vielen Häftlingen herrschte trotz dieser unmenschlichen Bedingungen die Hoffnung zu überleben. Aber es gab auch einige, die die Hoffnung verloren und absichtlich die Regeln brachen, um erschossen zu werden oder gleich Suizid begangen.

Insgesamt hat uns der Lagerbesuch in Auschwitz I sehr bewegt und uns verdeutlicht, wie grausam der Holocaust war. Alles, was wir in Auschwitz gesehen haben, wirkte auf uns unwirklich. Alles, was wir an zwischenmenschlichen Normen und Werten für selbstverständlich halten, war dort die Ausnahme. Gewalt, Willkür und der Tod wurden zum ständigen Begleiter. Das Subjekt des freien Willens wurde zum Objekt des Sadismus. Aus Stolz wurde Scham, aus Leben wurde Überleben, aus Namen wurden Nummern.

Dennoch gab es auch im Lager kleine Lichtblicke der Menschlichkeit. Im Lager besichtigten wir die Todeszelle, in der der Franziskaner Pater Maximilian Kolbe eingekerkert wurde, nachdem er sich für einen Mithäftling aufopferte. Kolbe wurde 1982 von Papst Johannes Paul II. als Märtyrer heiliggesprochen. Die Geschichte Maximilian Kolbes hat auch bei unserm Programmpunkt am Nachmittag eine wichtige Rolle gespielt. Wir besuchten eine Ausstellung in dem Kellergewölbe der Kirche der Unbefleckten Mutter Gottes in Harmeze. Die Ausstellung verdeutlicht den Leidensweg des Künstlers Marian Kolodziej durch seine Werke. Als junger Pfadfinder schloss sich Kolodziej der Untergrundarmee an, um für ein freies Polen zu kämpfen. Gemeinsam mit seinem Freund Marian Kajdasz versuchte er mehrmals, die Grenze zu überschreiten, um zur polnischen Armee im Westen zu gelangen. Er wurde am 14. Mai 1940 von der Gestapo festgenommen und am 14. Juni 1940 mit dem ersten Häftlingstransport nach Auschwitz deportiert. Dort wurde er stark beeindruckt von dem aufopfernden Verhalten Maximilian Kolbes, welches er in vielen seiner Werke verarbeitet. Er selbst überlebte das Lager. Nach einem Schlaganfall im Jahr 1992, bei welchem er halbseitig gelähmt wurde, begann er erst 50 Jahre nach seiner Vergangenheit im Konzentrationslagern von seinen dramatischen Erlebnissen zu erzählen. Mit seiner Kunst versuchte er seine traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Am 13. Oktober 2009 starb Kolodziej in Danzig und ließ sich in der Kirche des Minoriten-Klosters begraben, wo nun auch seine Ausstellung zu besichtigen ist. Aufgrund der sehr persönlichen Auseinandersetzung des Künstlers mit seinen Erlebnissen in Lagern hat uns die Ausstellung alle tief beeindruckt.

(RP)
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