Dinslaken "Koalas haben eine Ruhrpottmentalität"

Dinslaken · Mario Chindemi ist als Revierleiter für die Zootiere verantwortlich, die aus Australien stammen. Dazu gehören auch die Koalas, die der 52-Jährige als ruppig, aber liebenswert beschreibt. Der Charakter der Tiere mache seine Arbeit spannend.

 Links: Tierpflegerin Anna-Lena Hohmann mit Bürstenschwanzkänguru Lucy.

Links: Tierpflegerin Anna-Lena Hohmann mit Bürstenschwanzkänguru Lucy.

Foto: Probst Andreas

Zielstrebig läuft die kleine Koala-Dame auf Mario Chindemi zu, streckt ihre Ärmchen nach ihm aus und klettert an ihm hoch. "Man könnte meinen, sie möchte bei mir auf den Arm, weil sie mich so gern hat", sagt Chindemi und fügt hinzu: "Eigentlich will sie aber nur etwas zu futtern und weiß, dass es jetzt um die Zeit etwas gibt." Der Revierleiter macht sich nichts vor. Koalas sind keine Tiere, die eine enge Bindung zu Menschen aufbauen. Andersherum ist das allerdings schon der Fall. Chindemi lebt für "seine" Tiere, das war schon immer so.

Dinslaken: "Koalas haben eine Ruhrpottmentalität"
Foto: Probst Andreas

Bevor er 2001 das Revier, zu dem neben den Koalas auch drei Känguruarten, Schnabeligel, Wombats, Tapire und Ameisenbären gehören, übernahm, war Chindemi "Herr der Elefanten". 1981 hat er seine Ausbildung als Zootierpfleger angefangen. "Ich hatte das Glück, dass zu der Zeit bei den Elefanten Personal gesucht wurde", erzählt der 52-Jährige. Glück war nicht nur, dass eine Stelle frei wurde, sondern auch, dass die Elefanten Chindemi akzeptierten. "Diese Tiere suchen sich ihren Pfleger selber aus. Du kannst dich anstrengen, wie du willst, wenn die nicht wollen, dann hast du verloren." Die grauen Dickhäuter wollten ihn, und so entstand eine intensive Beziehung zwischen dem zweifachen Familienvater und den Elefanten. "Früher war alles viel familiärer. Da gab es noch Kontakt zwischen dem Tier und dem Pfleger. Heute werden Elefanten eher wie Raubtiere gehalten, da es schon öfter Unfälle gab", weiß er zu berichten. Als er anfing, wurden junge Elefanten noch in der Natur gefangen und an Zoos verkauft. "Da kam plötzlich ein völlig verstörtes Tier zu uns, das gerade seine Familie verloren hatte. Es hat nicht geschlafen und nur geschrien, wenn es allein war." Fünf bis sechs Stunden am Tag habe er damit verbracht, bei dem Elefantenmädchen Zimba zu sein. Als es Jahre später eingeschläfert werden musste, sei es "wie als wenn ein Familienmitglied stirbt".

Chindemi hat mehr Zeit im Zoo verbracht, als anderswo, sagt er. "Früher ist man gekommen, wenn die Sonne aufging und gegangen, wenn es dunkel war." Zootierpfleger, das sei mehr als nur ein Beruf, das sei eine Leidenschaft. "Auch wenn der Job heutzutage zu 90 Prozent darin besteht, Dreck wegzumachen." Arbeit im Zoo sei schwere körperliche Arbeit. Wegen fehlender Mittel müssten Tierpfleger immer mehr Arbeiten übernehmen, die nichts mit der Berufsbezeichnung im eigentlichen Sinne zu tun hätten. Wege fegen etwa oder Fensterscheiben putzen. Und dennoch liebt Chindemi seinen Job. Schon immer sei klar gewesen, dass er im Zoo "landen" werde. Sein Onkel habe damals schon als Pfleger in Duisburg gearbeitet. "Heimlich" habe Chindemi ihm helfen dürfen, bis er schließlich offiziell im Zoo anfing. "Die Arbeit ist immer wieder neu, niemals Routine und befriedigt mich zu 100 Prozent", sagt er.

Niemals langweilig sei es auch deshalb, weil die Koalas "richtige Charakterköpfe sind", wie der Revierleiter sagt. Dabei seien sie keineswegs so freundlich und nett wie sie ausschauen. "Koalas sind ruppige kleine Biester. Sie haben eine richtige Ruhrpottmentalität", sagt er und grinst. Gerade deshalb macht es ihn stolz, wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass der Zoo Duisburg mittlerweile die größte Koala-Zuchtgruppe in Europa hat. Ursprünglich waren es drei Tiere, die aus San Diego ausgeliehen wurden, um den Besuchern etwas besonderes zu bieten.

Der damalige Revierleiter habe aber den Bogen raus gehabt und verstand es, die Bedingungen so zu schaffen, dass sich die Tiere vermehren. Von dieser geballten "alten Tierpflegerintelligenz", wie Chindemi es nennt, habe er eine Menge gelernt.

Im Laufe der Jahre sei noch viel an eigener Erfahrung und Wissen über die eigenwilligen Koalas hinzugekommen, so dass mittlerweile nicht nur elf Tiere in Duisburg lebten, sondern der hiesige Zoo auch Ansprechpartner und Ausgangsbasis für alle anderen Koala-Haltungen in europäischen Zoos sei. "Das macht einen stolz. Über die Tiere holt man sich seine Bestätigung, wenn es mal nicht so läuft."

Zwar sind die Koalas die große Attraktion des Australien-Reviers, seine anderen Bewohner sind aber nicht weniger spannend und vor allem selten in Deutschland.

(RP)
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