Dinslaken "Immer ist was, weil sonst wär ja nix"

Dinslaken · Kabarettist Kai Magnus Sting begeisterte beim Fantastival im ausverkauften Burginnenhof.

 Kai Magnus Sting weiß Bescheid.

Kai Magnus Sting weiß Bescheid.

Foto: Heiko Kempken

Mit seinen 38 Jahren meint Kai Magnus Sting, dass er in ein Alter käme, wo er eigentlich nur noch seine Ruhe bräuchte. Kein Sport für ihn selber, aber auch keine Bewegung von Möbeln und überflüssigem Dekozeugs um ihn herum, auch wenn da seine Frau mit Vorliebe fürs liebevolle Gestalten des Heims anderer Meinung ist. Aber, aber: "Immer ist was, weil sonst wär ja nix", jammert der Duisburger in seinem aktuellen Programm. Was allerdings durchaus doch etwas sein und, um eins draufzusetzen, sogar noch etwas für sich haben kann. Denn jetzt, wo in NRW Ferienzeit herrscht und eigentlich nichts los ist, ist in Dinslaken sehr wohl was. Fantastival nämlich. Und das sei, so der Duisburg-Neudorfer, eines der schönsten Open Air Festivals dieses Landes.

Kai Magnus Sting beim Fantastival also. Wenn das nichts ist. Das findet auch das Publikum. Der Kabarettabend am Mittwoch im Burginnenhof war seit langem ausverkauft.

Kai Magnus Sting ist ein Kind des Ruhrgebiets. Er kennt sich aus mit der hiesigen Grammatik und kann sogar erklären, dass Satzkonstruktionen wie "Ich geh nach Bett" nicht nur logisch sind, sondern auch noch tiefere Bedeutungsebenen implizieren. Mindestens so gut wie ihre Sprache kennt Sting aber auch die Menschen der Region - angefangen bei seiner eigenen Verwandtschaft. Tante Lisa und die Oma, die man einfach nicht mundtot kriegen kann. Was für Kai Magnus ebenso gilt. Sein Körper mag sich nicht bewegen, sein Mundwerk schon. Damit schafft er nicht nur, sich ohne Punkt und Pause über Massenphänomene von Pokemon Go ("Ich komm in ein Alter, in dem ich es nicht begreifen kann - und es auch nicht begreifen möchte") bis zu Kochsendungen auf allen Kanälen zu echauffieren, er kann sich mit dem Publikum eine halbe Stunde lang nur darüber austauschen, welches Essen wer partout nicht mag. O ja, Sting weiß, wie man die Menge polarisiert. 40 Prozent seines Publikums mag nämlich Graupensuppe.

Und mittendrin greift der Duisburger Pointen aus dem ersten Teil des Abends wieder auf, schlägt Bögen und Haken, dass es für seine Fans eine Lust ist. Telefonieren nach 18 Uhr, weil Tante Lisa immer noch in einer Zeit lebt, in der es dann punkt Gongschlag preiswerter wird. Wie man mit Rhabarberkuchen auch sparen kann, wenn dieser im Angebot ist. Es sei denn, man mag keinen Rhabarber und lässt sich den Kuchen nur von einer eifrigen Bäckereifachverkäuferin aufschwatzen. Warum auch alle immer glauben, sie wüssten besser, was für einen selber gut sei. Der Hausarzt mit dem Belastungs-EKG, als wenn es nicht schon anstrengend genug sei, dass die Praxis im zweiten Stock des Ärztehauses liegt. Die Arzthelferin, die "wir" sagt, wenn sie "Sie" meint. "Ich war noch nie wir, ich bin mit alleine genug", bäumt sich das Individuum in Kai Magnus Sting auf. Und die Ernährung wird er auch nicht umstellen. Weil bei ihm in der Wohnung nichts mehr umgestellt wird.

"Auch ein Zimmer braucht Raum", wird Sting ganz aufgeräumt philosophisch. Und ist damit wieder bei seiner Oma. Die war auch eine Mischung aus Konfuzius und Heidegger. Geprägt von der Erkenntnis "ja man weiß es nicht" waren ihr tiefe Zusammenhänge von Zeit und der Flüchtigkeit aller Dinge klar: "Das Brot, was du heute kaufst, ist morgen schon von gestern." Also lebe jetzt, auch wenn es halb drei in der Nacht ist. Zu dieser Stunde tauscht man in Neudorf Nudelsalatrezepte aus. Analoges Ruhrgebiets-What's-App, aus dem Fenster quer über die Straße gerufen. Eine Botschaft, die auch in Dinslaken mit Begeisterung gehört wurde.

(RP)
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