Voerde Holocaust-Überlebende erzählt ihre Geschichte

Voerde · Projektkurs "Gegen das Vergessen" am Gymnasium Voerde besuchte Eva Weyl im ehemaligen Durchgangslager Westerbork.

22 Schüler des Gymnasiums Voerde haben mit ihren Lehrern das ehemalige Durchgangslager "Herinneringscentrum Kamp Westerbork" besucht und dort die Holocaust-Überlebende Eva Weyl getroffen.

Das spätere "Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork" wurde kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von der niederländischen Regierung als Flüchtlingslager errichtet. Juden, die aus Deutschland geflohen waren, sollten hier zentral aufgefangen werden. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 10. Mai 1940 wurde das Lager im Zuge der Besatzungspolitik weiter genutzt. Ab 1942 stand es unter direkter deutscher Verwaltung und diente als Zwischenlager für die holländischen Juden, die von hier aus in die Konzentrationslager deportiert wurden, vornehmlich nach Auschwitz-Birkenau und Sobibor. Insgesamt wurden von 1942 bis 1944 107.000 Juden aus Westerbork deportiert. Nur etwa 5000 von ihnen überlebten den Holocaust.

Einer der ehemalige Häftlinge im Durchgangslager Westerbork war Eva Weyl. Ihre Geschichte beginnt am Niederrhein. Genauer in Kleve. Dort besaßen ihre Eltern ein Textilkaufhaus. 1934 flüchteten die Eltern nach Arnheim, wo Eva Weyl ein Jahr später geboren wurde. Im Januar 1943, nach dem Einmarsch der Deutschen, hatte sich die Familie im Durchgangslager einzufinden. Da war Eva Weyl sieben Jahre alt.

Ihre Geschichte erzählte die Frau den Schülern am Ort des Geschehens. Das Lager wurde 1970 komplett abgerissen, 1983 eröffnete man dort das Erinnerungszentrum und rekonstruierte einige Baracken. Die Führung auf dem Gelände übernahm der Historiker Harry de Munck. Er kannte die Fakten und die historischen Zusammenhänge. Eva Weyl ergänzte ihn um ihre persönlichen Erinnerungen. Eine einmalige Gelegenheit für Schüler. So authentisch und hautnah erlebt man Geschichtsunterricht selten.

Irgendwann kam die Gruppe an das von Ronnie Golz entworfene Denkmal im Lager. "Wir sollten ein Gruppenfoto machen", rief einer. Also stellt eman sich auf - und lächelte in die Kamera. Darf man in einem ehemaligen Lager lachen, wenn von dort aus tausende Menschen in den Tod geschickt wurden?

"Natürlich ist dies ein trauriger Ort", sagte Eva Weyl. "Aber auch ein Ort der Hoffnung. Der Hoffnung darauf, dass so etwas nie mehr geschehe." Und: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was damals passiert ist. Aber ihr tragt die Verantwortung dafür, dass es nie wieder passiert." Seit dem Jahr 2008 spricht die 81-Jährige regelmäßig vor Schülergruppen. Seit 2013 auch am Gymnasium Voerde. Sie sei ein Glückspilz, sagte sie dann immer. Drei Mal ist sie der Deportation nach Auschwitz durch Zufälle entkommen. Einmal strich ein Freund den Namen der Familie von der Liste, mal geriet das Lager unter Beschuss und der Zug Richtung Osten fuhr nicht. "Der Besuch in Westerbork ist nicht leicht", gab Eva Weyl den Schülern am Ende mit auf den Weg, "aber er ist leicht gegen das, was ihr in Auschwitz sehen werdet."

Im November fährt die Schülergruppe des Projektkurses in das ehemalige Vernichtungslager in Polen. Vorher, am 9. November, laden sie die Öffentlichkeit zu einer von ihnen moderierten Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht in den Großraum der Schule ein.

(RP)
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