Dinslaken Hörenswerte musikalische Anekdoten

Dinslaken · Kammerorchester Dinslaken gab zum "Tag der Musik" gleich zwei Konzerte.

 Das Kammerorchester Dinslaken wusste sein Publikum bei seinen zwei Konzerten am vergangenen Wochenende wieder einmal in seinen Bann zu ziehen.

Das Kammerorchester Dinslaken wusste sein Publikum bei seinen zwei Konzerten am vergangenen Wochenende wieder einmal in seinen Bann zu ziehen.

Foto: Martin Büttner

Anekdoten in der Musik sind so etwas wie Karamellstückchen in der Schokolade. Sie sind nicht unbedingt notwendig, aber sie machen Spaß. Und irgendwie muss schon gleich dem Zucker etwas Phantasievolles, Originelles, Übersprühendes auch in der ernstesten Komposition stecken, sonst würde die Musik Anekdoten kaum so anziehen. Das Programm des Kammerorchesters Dinslaken am Samstag in der Erlöserkirche und am Sonntag in der Dorfkirche in Hiesfeld jedenfalls steckte voll von bekannten Melodien, musikalischen Geheimtipps und ebenso vielen Anekdoten rund um die Stücke aus zwei Jahrhunderten, die Orchesterleiter Sebastian Rakow mit profundem Wissen auch um das Repertoire abseits des stets Gehörten ausgewählt hat.

Los ging's schon mit dem Titel. "Zum Tag der Musik" (Einzahl), gleich zwei Konzerttage anzusetzen, ist schon eine Anekdote wert. Aber auch das Programm selbst hatte es in sich. Abwechslungsreich war es, von Opernreformer Christoph Willibald Glucks Ouvertüre zu "Iphigenie auf Aulis" bis zur Eisenbahnerball-Polka des jüngsten Bruder der Strauß-Dynastie. Die Gluck-Ouvertüre endet übrigens mit Takten von Richard Wagner. Der brauchte das Stück als alleinstehendes Werk und komponierte einfach den Schluss zum Anfang des abendfüllenden Opernwerks dazu. Wagners dezenten Eingriff in das Werk hört man nicht heraus. Wie man allerdings auch beim besten Willen keine einzige Wagner-Phrase in Heinrich Joseph Baermanns Adagio für Klarinette und Streicher findet. Trotzdem wurde das Stück noch bis acht Jahre nach der zweifelslosen Feststellung der Autorenschaft dem um ein Vielfaches bekannteren Komponisten zugeschrieben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt oder gar eine Verkaufsstrategie vermutet. Das Stück ist eindeutig rund ein halbes Jahrhundert früher zu datieren - vom bloßen Hören.

Musik und Komponistenhonorare. Auch dies ist oft anekdotisch, wenn auch zumeist weniger heiter für den Komponisten. Der Norweger Johan Severin Svendsen, ein Zeitgenosse Griegs, verkaufte sein berühmtestes Werk, seine Romanze für Violine und Orchester zwischen nordischer Elegie und tänzerischer Folklore, für 200 Kronen - und machte den Verleger reich. Mit Gesa Gärtner (Violine) und Gerhard Friedrich (Klarinette) setzte das Kammerorchester am vergangenen Wochenende auf Solisten aus den eigenen Reihen.

Warum die Oper mit dem seltsamen Titel "Die glücklichen Sklaven" des 13-jährigen Juan Crisóstomo de Arriga y Balzola eine Tragödie ist, obwohl die Ouvertüre feurig und heiter klingt, wird wohl ebenso ein Rätsel bleiben wie der frühe Tod des Talents mit 19 Jahren ein Verlust für die Musikwelt bedeutete. Einfach monetäre Gründe hatte das Drängen von Mutter Strauß, dass der Zweitgeborene nicht Ingenieur bleibe, sondern Musiker werde. Die Rechnung ging auf. Sebastian Rakow ließ für Josef Strauß' "Winterlust" die Klatsche als Peitschenersatz knallen: Am Tag des Sommeranfangs! Und dann gibt es noch Komponisten, die wissen, wie es im Musikgeschäft geht. Edgar Elgar bot seinem Verleger nicht nur von vornherein sein Werk mit einem zugkräftigen französischem Titel an, er schrieb "Chanson de Matin" auch als wunderschöne, zeitlose Perle. Langanhaltender Applaus für ein kurzweiliges Programm der guten Akustik der Dorfkirche, die das Kammerorchester in symphonischer Größe erklingen ließ.

(RP)
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