Dinslaken Heimat ist dort, wo der Förderturm steht

Dinslaken · Lutz Malonek hat 20 Jahre auf dem Bergwerk West Kamp-Lintfort gearbeitet. Noch heute schlägt sein Herz für die 2012 geschlossene Zeche. Er kämpfte für den Erhalt des Förderturms.

 Lutz Malonek hat einen Raum mit Andenken an seine Zeit auf dem Bergwerk West eingerichtet. Die Puppe trägt seine einstige Arbeitskluft.

Lutz Malonek hat einen Raum mit Andenken an seine Zeit auf dem Bergwerk West eingerichtet. Die Puppe trägt seine einstige Arbeitskluft.

Foto: kdi/RP-AF: kdi

Der 2. Juli 2012 war für Lutz Malonek ein wichtiger Tag. Zum letzten Mal fuhr er mit seinem Sohn in den Schacht des Bergwerks West in Kamp-Lintfort ein und brachte ein Stück Kohle für die Familien mit nach oben. "Bauhöhe 453 auf der 1000-Meter-Sohle unter dem Ortsteil Saalhoff. Wir waren als Besucher dort", erzählt er.

Das Datum war historisch mit Bedacht gewählt: "Mein Großvater hat am 1. Juli 1912 als Hauer auf dem Bergwerk die erste Kohle zutage gefördert", erzählt Malonek und ist stolz, dass sich 100 Jahre Bergbau-Geschichte in seiner Familie widerspiegeln. Auch sein Vater, er selbst und sein Sohn arbeiteten auf der Zeche. "Vier Generationen!"

Dinslaken: Heimat ist dort, wo der Förderturm steht
Foto: Dieker Klaus

"Mein Vater war untertägig im Transportbetrieb tätig und hat später für einen reibungslosen Förderbetrieb an den Schächten 1, 2, 3 und 4 gesorgt. Bis zu seiner Rente hat er immer gesagt: Am Ende der Schicht, da krisse noch Futtsack", erzählt Malonek schmunzelnd. "Wenn früher Unruhe oder Probleme im Schacht auftraten, bekamen die Grubenpferde einen Futtersack, daraus wurde verkürzt das Wort Futtsack."

So prägte der Bergbau eben auch die Sprache. Lutz Maloneks Vater hatte eigentlich Bäcker gelernt. "Doch im Bergbau verdiente man viel mehr und konnte die Familie besser ernähren", sagt er.

Nur wenige Monate nach seiner letzten Grubenfahrt stellte das Bergwerk West im Dezember 2012 die Kohleförderung für immer ein. 20 Jahre lang war die Zeche an der Friedrich-Heinrich-Allee Lutz Maloneks berufliche Heimat. "Es waren die schönsten 20 Jahre meines Lebens. Ich hatte dort einen Bombenjob", sagt er und bedauert, dass das Bergwerk geschlossen wurde.

"Wir hätten für weitere 20 Jahre genug Kohle gehabt. Jetzt müssen wir sie anderswo einkaufen", sagt der Lintforter.

Wie sehr sein Herz für den Bergbau schlägt, beweist ein Kellerraum im Hause Malonek. Kacheln hängen an den Wänden und erinnern an seine Jahre im Bergbau, 20 an der Zahl, von der Gewerkschaft verliehen. Bilder zeigen das Arbeitsleben im Schacht und die Kohle geschwärzten Gesichter seiner "Kumpel".

Eine lebensgroße Puppe, die Malonek zusammengebaut hat, trägt seinen Arbeitsanzug, seinen Helm, seine Grubenlampe und den Selbstretter, den jeder Bergmann untertage dabei hatte. "Ich habe die Sachen mitgenommen, als ich in Ruhestand ging." Sein Weg führte Lutz Malonek nicht sofort in den Bergbau. "Ich hatte mir selbst eine Lehrstelle zum Kfz-Mechaniker gesucht und arbeitete in Moers." Ja, und dann machte sich für ihn doch ein Türchen auf: "Ich erfuhr, dass die Zeche Leute für ihren Fuhrpark suchte und bewarb mich."

1975 fuhr der gelernte Kraftfahrzeugmeister selbst in den Untertagebetrieb ein. Nach Lehrgängen und bestandener Fahrhauerprüfung wurde er Aufsichtsperson für den Dieselbereich auf dem Bergwerk im Untertagebetrieb. "Ich wurde sozusagen Herr von 10.000 Pferdestärken", erinnert sich Lutz Malonek.

Die Dieselkatzen seien in ihren Einzelteilen nach unten gefahren und erst dort zusammengebaut worden. Warum der Bergbau als Heimat empfunden wird? "Weil es unter Tage keinen Neid und keine Missgunst gibt. Die Kameradschaft wird großgeschrieben, weil alle aufeinander angewiesen sind. Die Integration, die heute über Tage immer wieder noch scheitert, war da unten eine Selbstverständlichkeit", erzählt er. "Es arbeiteten Deutsche, Italiener, Türken und Koreaner harmonisch zusammen. Heute leben 80 Nationalitäten dank des Bergbaus miteinander friedlich und bunt in Kamp-Lintfort."

Das Heimat-Symbol überhaupt ist nicht nur für Lutz Malonek der Förderturm von Schacht 1. Fast 70 Meter hoch ragt er als Landmarke empor. "Wir hatten auf der dritten Ebene unser Ersatzteillager", erzählt er. "Wer jemals auf der rundum begehbaren Brüstung gestanden hat, der weiß erst, wie schön unsere Heimat ist. Und wenn man aus dem Urlaub wiederkehrt und in einiger Entfernung den Turm entdeckt, dann weiß man immer, dass man gleich Zuhause ist."

Deshalb ist Malonek froh, dass sich eine Mehrheit in Kamp-Lintfort in einer Bürgerbefragung der Stadt für den Erhalt ausgesprochen hatte. "Ich hätte mich sonst an den Turm gekettet."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort