Hintergrund Heftiger Streit in Dinslakens Integrationsrat

Dinslaken · Der Lohberger Yilmaz Adiyaman sagt, er werde unter Druck gesetzt, den Integrationsrat zu verlassen. Er hatte Bilder herumgezeigt, die seiner Meinung nach auf mögliche Radikalisierung hindeuten könnten.

Hintergrund: Heftiger Streit in Dinslakens Integrationsrat
Foto: DIN

Sein Bruder war drauf und dran, sich der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen. Nur mit größter Mühe und nachdem sein Vater Anzeige gegen den Sohn erstattet hatte, sei es gelungen, ihn davon abzuhalten, in den sogenannten Heiligen Krieg zu ziehen.

Das macht den Lohberger Yilmaz Adiyaman, so sagt er, ganz besonders sensibel, wenn er glaubt, auf Hinweise zu stoßen, dass Jugendliche radikalisiert werden könnten. Auf Facebook hat er solche Zeichen entdeckt. Fotos. Zum Beispiel solche, die den Boxtrainer von Rot-Weiß-Selimiyesport Lohberg zeigen, wie er mit einem Maschinengewehr posiert. "Das kann doch kein Vorbild für unsere Jungs sein", sagt Adiyaman. Und deswegen hat er die Bilder, wie er erklärt, herumgezeigt. Bei Verantwortlichen im Verein, im Integrationsrat, dem er angehört, auch dem Integrationsbeauftragten der Stadt, Burhan Cetinkaya.

Geschehen sei nichts, so Adiyaman. Stattdessen sei ihm bedeutet worden, sich da rauszuhalten. Die von ihm gewünschte Diskussion sei nicht gewollt gewesen. Also hat er die Bilder Bürgermeister Dr. Michael Heidinger gezeigt. Das war im November vergangenen Jahres. Und seitdem, so Adiyaman, werde er unter Druck gesetzt, den Integrationsrat zu verlassen. Dessen Vorsitzender Turhan Tuncel habe ihn dazu aufgefordert und ihm per Mail mitgeteilt, dass er die Schlüssel zu den Räumen des Integrationsrates im Lohberger Ledigenheim abzugeben habe. Auch der zweite Vorsitzende Erol Tonk habe mehrfach Druck gemacht. Der Integrationsbeauftragte habe ihn ebenfalls zum Rückzug aufgefordert.

Bürgermeister Dr. Michael Heidinger hat die Bilder immerhin für so bedenkenswert gehalten, dass er sie dem Staatsschutz weitergeleitet hat. Von dem sei aber, so sagte Sozialdezernentin Christa Jahnke-Horstmann der Rheinischen Post, die Rückmeldung gekommen, "dass gegenwärtig keine Verdachtsmomente bestehen". Auch Anzeichen für eine Radikalisierung habe der Staatsschutz verneint. Der Bürgermeister habe dann das Gespräch mit dem auf dem Foto Abgebildeten gesucht. Da ihm aber nichts Verbotenes vorgeworfen werden könne, sei für die Stadt die Angelegenheit erledigt gewesen.

War sie aber nicht. Adiyaman blieb und bleibt bei seiner Kritik. Im Juni dieses Jahres, so berichtet Adiyaman, habe es dann eine interne Aussprache im Integrationsrat gegeben, bei der es darum gegangen sei, ihn aus dem Integrationsrat zu "entfernen". Diese Sitzung habe er aber verlassen, weil er den Eindruck gehabt hätte, dass es nicht um eine offene Diskussion gegangen sei, sondern darum, ihn auf die Anklagebank zu setzen. Im September hat er dann noch einmal einen Anlauf unternommen, beim Integrationsrat Gehör zu finden - diesmal in einer öffentlichen Sitzung . Sein Redebeitrag, den er zu Beginn der Sitzung formgerecht angekündigt habe, sei aber von der Dezernentin per Geschäftsordnungsantrag, über den der Vorsitzende umgehend habe abstimmen lassen, beendet worden. Fabian Schneider von der CDU, der an der Sitzung teilnahm, berichtet, dass diese Vorgehensweise von ihm und anderen Mitgliedern des Gremiums kritisiert worden sei. Zu einer Debatte sei es aber nicht mehr gekommen.

Es sei ihr gar nicht darum gegangen, eine Debatte zu beenden, sagt dazu Dinslakens Sozialdezernentin. Sie habe aber darauf hinweisen wollen, dass es offenbar um sehr persönliche Auseinandersetzungen gehe, die nicht öffentlich ausgetragenen werden sollten. Den ihr unterstellten Integrationsbeauftragen nimmt sie ausdrücklich vor der Kritik Adiyamans in Schutz. Weder habe Burhan Cetinkaya die Bilder gesehen, bevor Adiyman sie dem Bürgermeister gezeigt habe, noch habe er das Integrationsratsmitglied zum Rückzug aus dem Gremium aufgefordert. Letzteres habe ihr auch der Vorsitzende des Integrationsrats bestätigt.

Auch einen anderen Vorwurf, den Adiyaman und Orhan Dilmac erheben, weist sie zurück. Adiyaman ist Vorsitzender des Vereins King's Sport in Lohberg, Dilmac dessen Kassierer. Den Verein, so erklären die beiden, haben sie 2011 gegründet, weil sie beobachtet hätten, wie sich die Stimmung unter Lohberger Jugendlichen verändert habe, wie Salafisten immer mehr Gehör gefunden hätten. Mit dem Verein wollten sie diesen Jugendlichen einen Anlaufpunkt und Halt bieten. Heute habe der Verein 103 Mitglieder, darunter 30 Frauen. Der Verein habe einige Syrien-Rückkehrer, die sich vom IS abgewandt hätten, unter seine Fittiche genommen. Außerdem trainierten dort inzwischen rund 30 Flüchtlingskinder.

Cetinkaya habe dem Verein bedeutet, so sagt Dilmac, dass er mit keiner städtischen Unterstützung rechnen könne, solange Adiyaman im Vorstand sei. "Der Verein wird von der Stadt im Rahmen unserer Richtlinien genauso unterstützt wie alle anderen Vereine auch", sagt dagegen Christa Jahnke-Horstmann. Eine Drohung, dass es keine Förderung geben werde, sei Unsinn, wohl aber habe es den Hinweis gegeben, dass das Vertrauensverhältnis zu Adiyaman gestört sei. Die Dezernentin hat Adiyaman nach der Integrationsratssitzung im September zu einer Aussprache eingeladen. Er habe auch da wieder eine ganze Reihe von Vorwürfen erhoben, die er aber nicht habe untermauern können. Sie habe ihm geraten, doch Anzeige zu erstatten, wenn er glaube, Beweiskräftiges vorlegen zu können.

"Wir wollen Yilmaz Adiyaman nicht rausdrängen, das ist das falsche Wort", sagte der Vorsitzende des Integrationsrats, Turhan Tuncel, von der Rheinischen Post auf die Vorwürfe angesprochen. "Wir wollen die Zusammenarbeit beenden." Für sich persönlich habe er diese Konsequenz bereits gezogen. Adiyaman verbreite ständig Unwahrheiten und erhebe ehrenrührige Vorwürfe gegen unbescholtene Personen. Dafür werde er auch juristische Konsequenzen tragen müssen. "Wir sind", so erklärt Tuncel, "mit der städtischen Rechtsabteilung im Gespräch und überlegen, wie wir Unterlassungserklärungen von Adiyaman erwirken können."

Die Fotos, die dieser herumzeige, stammen laut Tuncel alle aus der Zeit, bevor Lohberger Jugendliche sich dem IS angeschlossen hätten. Zu den Fotos gehören neben denen, auf denen sich der Boxtrainer, so Tuncel, "unüberlegt" mit Gewehr habe ablichten lassen, auch solche mit Jugendlichen im Al-Qaida-T-Shirt oder solche, die Jugendliche zeigen, die dem Fotografen den erhobenen Zeigefinger entgegenstrecken - ein Zeichen, das auch IS-Anhänger benutzen. "Ich verstehe gar nicht, was Adiyaman damit beweisen will", sagt Tuncel.

Die Stadt allerdings stellte auf RP-Anfrage fest, dass die Aussage von Tuncel zu den Gesprächen mit der städtischen Rechtsabteilung falsch sei. Deren Rechtsberatung beziehe sich lediglich "auf unseren Mitarbeiter Burhan Cetinkaya, der sich verleumdet fühlt und den wir selbstverständlich unterstützen", erklärte Rathaussprecher Horst Dickhäuser. Die Frage einer Unterlassungserklärung müsse zivilrechtlich geklärt werden, weshalb die Stadt Cetinkaya an einen Anwalt verweisen werde.

Eine öffentliche Diskussion über das Thema ist jedenfalls nach wie vor nicht gewollt. Tuncel hat für die nächste Woche den Integrationsrat eingeladen - zur nichtöffentlichen Sitzung.

(RP)
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