Dinslaken Gemeinsam singen gegen Gewalt

Dinslaken · Türchen Nummer 19: Der Heartchor aus Moers hat einen traurigen Ursprung: Weil ein Freund ermordet wurde, wollte man gegen die Gewalt ansingen. Auch heute steht eines für den Chor im Mittelpunkt: der Zusammenhalt.

Dinslaken: Gemeinsam singen gegen Gewalt
Foto: Schüssler

Über fünf Jahre ist der tragische Tag nun her, und noch immer singen sie. Im Oktober 2012 wurde der Musiker Dieter Kahlen in seiner Wohnung in Neukirchen-Vluyn ermordet. Zwei Bekannte hatten es auf seinen Sportwagen und die Kreditkarte abgesehen und ihn im Schlaf erstochen - sie sitzen im Gefängnis. Um die Trauer zu verarbeiten und ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, riefen Freunde, der Lehrer Tom Bissels und RP-Redakteur Uwe Plien das Projekt "Gospel gegen Gewalt" ins Leben. Zwei Konzerte waren geplant, aber danach war nicht an Aufhören zu denken.

Der Rheinberger Plien und der Moerser Bissels trommelten 60 Sänger und Musiker zusammen. Alle waren sich einig: So etwas wie der Raubmord darf nicht mehr passieren. Chor und Band schafften es, rund 10.000 Euro zu sammeln, die an Projekte der Gewaltprävention gingen. Nach zwei Konzerten war das Ziel geschafft - nicht mehr gemeinsam zu singen, war aber keine Option mehr: "Viele Sänger und Sängerinnen waren danach vom Gospelvirus befallen und haben sich gegenseitig überredet, weiter zu machen", sagt Chorleiter Tom Bissels. Auch er kapitulierte vor der geballten Freude an Gospelmusik. Und so entstand der Heartchor.

Heute singen 30 Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen 20 und 60 Jahren zusammen. Sie kommen aus Moers, Rheinberg, Neukirchen-Vluyn. "Den Namen haben wir gewählt, weil es für uns auch eine Herzenssache ist", sagt Bissels. "Ich habe später gemerkt, dass es Heartchöre wie Sand am Meer gibt", sagt der Chorleiter lachend. Doch da der Name einfach so gut passte, blieb er.

Benefizkonzerte gibt der Heartchor immer noch, Spaß und Zusammenhalt stehen aber im Vordergrund. "Das Wichtigste ist, dass wir uns so gut miteinander verstehen. Außerdem finden wir uns in der Musik ganz gut wieder", sagt Tom Bissels. Innerhalb der Gospelmusik bedienen sie sich vor allem an Soul, Blues und Funk. "Uwe Plien sagte einmal, dass wir eigentlich kein Chor seien, sondern eine Rockband mit vielen Leuten."

Und wie es sich für eine echte Rockband gehört, werden die Auftritte gerne gemeinsam gefeiert. "Wir trinken dann zusammen ein Weinchen, wegen der schönen Atmosphäre", sagt Tom Bissels. Tradition hat auch ein Buffet, zu dem jeder etwas beisteuert. So gebe es alles, von Frikadellen bis Teigrollen. "Und die Schwarzbrotschnittchen sind besonders gut", fügt Heike Reiffen hinzu, die den Chor nicht nur mit ihrer Altstimme bereichert.

Bei den Auftritten wird keiner der Sängerinnen und Sänger hervorgehoben. "Wir sagen gemeinerweise nie die Solisten an", scherzt Tom Bissels. Der Grund dafür sei, dass der Heartchor nur als Ganzes funktioniere. "Die Solisten sind nichts ohne den Chor und umgekehrt."

Obwohl der Heartchor auch häufiger in Kirchen auftritt, fühlt er sich keiner Kirche oder Konfession verbunden. "Wir sind ein freier Chor ohne Bindung an eine Gemeinde und bewusst ohne Vereinsstrukturen", sagt Tom Bissels. Auch wenn die Lieder von Gott und Glauben handeln, finden im Chor Atheisten und Agnostiker neben Christen ihren Platz. Entscheidend sei, dass sich alle zusammen wohlfühlen. "Wie jeder da den spirituellen Aspekt für sich unterbringt, ist eine persönliche Sache."

Weihnachten feiert der Heartchor erst zwischen den Jahren zusammen. "Ich glaube, momentan freuen sich alle darauf, wenn der Weihnachtswahn vorbei ist und die ruhige Zeit mit der Familie beginnt", sagt Bissels. Er selbst verbringt Heiligabend im kleinen Kreis seiner Familie und singt am zweiten Feiertag gemeinsam mit seinen Geschwistern Weihnachtslieder. "Singen ist für mich ein ganz wichtiges Element und der perfekte Ausgleich zur Arbeit."

Auf den Facebookseiten unserer Redaktionen vom Niederrhein finden Sie im Rahmen unseres Adventskalenders ein Weihnachtsvideo vom Chor, zum Beispiel unter "Rheinische Post Dinslaken" oder über die Facebook-Adresse www.facebook.com/rp.dinslaken.

(RP)
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