Mordfall Dagmar E. Freunde bringen Mutter um - Sohn sitzt untätig dabei

Dinslaken/Wesel · Er schaufelte seiner Mutter das Grab - wortwörtlich. Das hat der Sohn der ermordeten Dinslakenerin Dagmar E. am Mittwoch vor dem Landgericht ausgesagt. Er habe die Ankündigung, dass seine Freunde seine Mutter töten wollen, nicht ernst genommen.

Mordfall Dagmar E.: Bilder vom Prozess
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Prozess im Mordfall Dagmar E. in Duisburg gestartet

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Foto: dpa, jgu hpl

"Ich würde alles für dich tun". Das hatte der 25-Jährige seinem damals besten Freund versprochen. Ohne zu wissen, was ihn erwartet. Dass er damit den Tod seiner Mutter besiegelte, hatte er nicht geahnt. Auch nicht, als der zur Tatzeit 17-Jährige fragte, ob er für ihn töten würde. "Ich bin davon ausgegangen, dass es ein Test war, wie loyal ich bin", glaubte er damals noch. Bis der Beweis eingefordert wurde. "Du hast doch gesagt, du würdest alles für mich tun", setzte ihn sein Freund unter Druck. Dann wurde er noch konkreter: "Er fragte, was ich tun würde, wenn er meine Mutter tötet. Ich sagte: Nichts!"

Das war drei Wochen vor dem Mord an Dagmar E. Immer noch konnte er nicht glauben, dass wirklich etwas Schlimmes passieren soll, zumal einer der Brüder des 17-Jährigen ihn beruhigte. Für einen Scherz habe er es auch gehalten, dass der Freund sagte: "Dann können wir auch meinen Vater umbringen!" Drei Wochen lang habe der Freund immer wieder auf ihn eingeredet und ihm gedroht, er dürfe nichts von dem Plan erzählen. Wieder redete er sich ein: das ist ein "sehr grotesker Scherz".

Am 30. September 2014 hieß es dann: "Heute ist es so weit, heute bringen wir deine Mutter um!" Mit einer Schaufel und dem Freund sei er am Nachmittag zu einem Waldstück zwischen Gelsenkirchen und Dinslaken gefahren und habe ein Grab geschaufelt. Ein unzulängliches Grab, viel zu klein, nicht tief genug und keinesfalls dazu geeignet, jemanden zu vergraben, sagte der Angeklagte. Dann habe er einen weiteren Mitangeklagten, einen der Brüder des 17-Jährigen, abgeholt. Zu dritt waren sie in die Wohnung des späteren Opfers gefahren, in der auch Alexander E. lebte. Als die Mutter von der Arbeit kam, fragte sie gleich nach dem dritten der Brüder, der ihr Geld schuldete. Der war aber nicht gekommen.

Nach dem Arbeitstag habe die Mutter sich dann um die Wäsche gekümmert, ein Glas Wein eingeschüttet und sich zu ihrem Sohn an den Computer gestellt. Sie ahnte nicht, dass der 17-Jährige ihre Arglosigkeit ausnutzen sollte, um sie von hinten zu packen und ihr mit den Händen die Luft abzudrücken. Der 21-jährige Bruder habe sich auf die Beine der Frau gesetzt, als sie am Boden lag. "Ich war komplett schockiert, ich konnte mich gar nicht mehr bewegen, nicht mehr klar denken!", schilderte der Angeklagte sein Gefühl, während die Mutter neben ihm um ihr Leben kämpfte.

Er selber habe Todesangst gehabt, sich nicht getraut einzugreifen. Wie ferngesteuert habe er auf Befehl der anderen Musik eingeschaltet, was passierte, habe er gar nicht richtig begreifen können. Alexander E. habe Säcke für Grünabfall aus der Garage und Klebeband geholt, als er zurückkam, war die Leiche schon fast komplett entkleidet. Dann nahmen sich alle drei die Zeit, einen Film zu sehen, bevor sie die in Säcke und eine orange-gelbe Patchworkdecke gewickelte Frau in das Auto luden und zu dem Waldstück fuhren. Von dort aus fuhren sie zu dem vierten Angeklagten, der sich wegen Anstiftung zum Mord verantworten muss. Er soll den Auftrag zum Töten gegeben haben, weil er der 58-Jährigen ein Darlehen von 6000 Euro nicht zurückzahlen konnte. Der 17-Jährige nahm in der Wohnung des Bruders erst einmal Geschenke entgegen, es war sein Geburtstag.

"Ich hätte sofort ohne zu zögern zur Polizei gehen sollen, aber ich hatte zu viel Angst", sagte der 25-Jährige. Also habe er wie gefordert eine Vermisstenmeldung aufgegeben und sich unwissend gestellt. Von den mit ihm befreundeten Brüdern sei er nach der Tat körperlich und seelisch misshandelt worden. Man habe ihm die Hand zusammengedrückt, ihm ein Messer an den Hals gehalten und mit dem Tode gedroht, sollte er etwas verraten.

In den kommenden Wochen habe er ihnen alle Wünsche erfüllen müssen. "Es war die Hölle!", sagte der junge Mann. Immer wieder habe er Geld beschaffen und auch den Schmuck der Mutter versetzen müssen, um die Mitangeklagten zu unterstützen. Weil die drei seine einzigen Freunde waren, habe er nicht gewusst, wem er sich anvertrauen soll. Die Mitangeklagten blickten während der für sie belastenden Ausführungen ernst. Der zur Tatzeit 17-Jährige zeigte mit gelegentlichem Kopfschütteln, dass er nicht ganz mit den Angaben einverstanden ist.

(RP)
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