Unsere Woche Flüchtlingsdebatte: Wenn Diffamierungen Argumente ersetzen

Dinslaken · Warum in Dinslaken die Gefahr droht, dass die Flüchtlingsdebatte aus dem Ruder läuft, und warum alle schnellstens zur Sachlichkeit zurückfinden sollten.

Ja, wenn alles so einfach wäre. Da möchte der Kämmerer die Gewerbesteuer erhöhen, was, wer hätte das gedacht, die Gewerbetreibenden auf die Palme treibt und dann inszenieren SPD und CDU im Rat ihren großen, ganz offensichtlich gut vorbereiteten Auftritt. Gemeinsam beantragen sie, die Gewerbesteuer so zu lassen, wie sie ist und stattdessen das Geld, das dann fehlen würde, beim städtischen Tochterunternehmen einzusammeln. Der Stadtwerke-Chef nickt diesen Vorschlag gütig lächelnd ab, und der Fall ist erledigt. Mal eben die städtische Tochter zur Kasse zu bitten, hat zwar mit nachhaltiger politischer Gestaltung recht wenig zu tun, erfüllt aber einen der Politik ganz offenbar wichtigen Zweck. Sie geht Ärger aus dem Weg. Und was ist auch schon dabei? Die städtische Tochter ist doch wohlbetucht und kann es sich leisten, die Stadtkasse mit ein paar hundertausend Euro zusätzlich aufzufüllen. Auf Dauer nur wird sich so das städtische Finanzproblem auch nicht lösen lassen.

Schwieriger allerdings sind Problemlösungen, wenn's ans ganz Grundsätzliche geht - beispielsweise um die Frage, wie diese Stadt mit Flüchtlingen umgeht. Da gab's bislang einen großen Konsens in der Dinslakener Politik, sogar ein gemeinsames Grundsatzpapier aller Fraktionen ist verkündet worden. Diese Gemeinsamkeit hat sich bewährt. Dinslaken kann für sich in Anspruch nehmen, die Geflüchteten menschenwürdig zu behandeln und auf diesem Weg die allermeisten Bürger mitgenommen zu haben. Jetzt gibt's zum ersten Mal richtig Zoff.

Was ist passiert? Die Antwort: Nichts. Die Verwaltung hat Möglichkeiten aufgezeigt, wo sich nach einer Änderung des Baugesetzbuches auf städtischen Grundstücken im Außenbezirk Wohnungen für Flüchtlinge bauen ließen. Das ist nichts Unerhörtes, sondern Pflicht einer Verwaltung, die gehalten ist, an Problemlösungen zu arbeiten. Sie hat ihre Erkenntnisse auch auf ganz normale Vorgehensweise in mehreren öffentlichen Sitzungen von Ratsgremien vorgestellt - und zwar zu einem ganz frühen Zeitpunkt, zu dem absolut nichts entschieden ist. Gute Voraussetzungen für eine sachliche Diskussion - sollte man meinen. Es ist leider anders gekommen.

Eine der Flächen, auf denen gebaut werden könnte, liegt am Rade des Averbruchs und etliche von dessen Bewohner laufen, wie am Dienstag in der Ratssitzung zu beobachten war, Sturm gegen diese Überlegungen. Tun so, als handele es sich nicht um erste Überlegungen, sondern als sollten morgen bereits die Bagger anrollen, unterstellen der Verwaltung allerlei Schmutzbuckeleien, werfen ihr undemokratisches Verhalten vor und dass sie wieder einmal die Bürger vor vollendete Tatschen stellen wolle. Nichts von alledem lässt sich belegen.

Natürlich haben betroffene Bürger das Recht, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen. Und es gibt ja auch in der Tat nicht von der Hand zuweisende Argumente dagegen, die geflüchteten Menschen, an einigen wenigen Stellen zu konzentrieren, weil das dem Ziel, sie möglichst rasch zu integrieren, nicht unbedingt förderlich ist. Das enthebt die Bürger allerdings nicht der Verantwortung, sich auch mit den anderen Argumenten auseinanderzusetzen - und zwar sachlich, ohne Schaum vor dem Mund und ohne die Verwaltung zu beschimpfen und zu diffamieren.

Und eines geht überhaupt nicht. Dass eine Seite ins Internet gestellt wird, die unter dem absurden Titel "Rettet den Averbruch" firmiert und dem dort zu lesenden Elaborat das Bild eines Slums voranstellt mit der Unterzeile: "Sieht so der Averbruch in einigen Jahren aus, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird?" Das, man muss es so deutlich benennen, ist kein Diskussionsbeitrag. Das ist Hetze - die, das darf man unterstellen, auch von den allermeisten Kritikern aus dem Averbruch nicht toleriert wird.

Also: Was in der Diskussion, die losgebrochen ist, not tut, ist Sachlichkeit.

Dazu könnte im Übrigen auch die CDU beitragen. Dagegen, dass sie in der Debatte Stellung bezieht, ist überhaupt nichts einzuwenden, auch ihre Argumente sind bedenkenswert. Dass sie allerdings im Zusammenhang mit den möglichen Bauvorhaben von "Flüchtlingswohnhochburgen" spricht, mag ja plakativ sein, geht aber an der Sache völlig vorbei und schürt Ängste, für die es keinen Grund gibt.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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