Dinslaken Flüchtlinge: Stadt will Verträge kündigen

Dinslaken · Im Streit um den Bau von Flüchtlingsunterkünften, mit denen die Stadt den Caritasverband beauftragt hatte, steht eine Entscheidung an. Die Verwaltung plädiert dafür, die Verträge zu kündigen. Der Rat soll am 19. September beschließen.

 2015 kamen viele Flüchtlinge nach Dinslaken. Inzwischen sind es deutlich weniger, und die Stadt will auf den Neubau von Unterkünften verzichten.

2015 kamen viele Flüchtlinge nach Dinslaken. Inzwischen sind es deutlich weniger, und die Stadt will auf den Neubau von Unterkünften verzichten.

Foto: büttner

Im Juli hatte der Rat die Verwaltung beauftragt, gemeinsam mit dem Caritasverband zu prüfen, zu welchen Vergütungsansprüchen gegenüber der Stadt eine Aussetzung der Baubeschlüsse für fünf neue Unterkünfte mit einem Investitionsvolumen von 5,5 Millionen Euro womöglich führen könnte. Seitdem gab es viele Gespräche und einen umfangreichen Schriftwechsel mit dem Caritasverband und den von ihm beauftragten Unternehmen. Danach ist die Verwaltung nach Informationen der Rheinischen Post nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kündigung der Verträge wegen der bereits entstandenen Ansprüche den städtischen Haushalt nach dem jetzigen Stand der Dinge mit rund 275.000 Euro belasten würde. Sie schlägt der Politik vor, die Verträge zu kündigen. Entscheiden soll der Rat das im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung am 19. Dezember. Zu den Vergütungsforderungen, die im Falle einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung an die Stadt gestellt werden könnte, erklärte Stadtsprecher Marcel Sturm gestern auf Nachfrage der Rheinischen Post, dass die Stadt zum jetzigen Zeitpunkt keine Summe nennen könne. Bisher liege keine Forderung des Caritasverbandes wegen etwaiger Ersatzansprüche auf dem Tisch. Es liege lediglich die zusammenfassende Auflistung eines Unternehmens über 3,2 Millionen Euro vor, die aber nicht belegt sei. Mit einigen Unternehmen ist laut Stadt eine Einigung greifbar. Das so, präzisierte Sturm, bedeute, dass die Höhe des von diesen Firmen geltend gemachten Vergütungsanspruchs nachvollzogen und anerkannt werden könne. Der Caritasverband müsse die Forderung nun aufnehmen und sie im Rahmen der Schlussrechnung geltend machen. Er sei der Vertragspartner. Mit ihm müsse eine Einigung erzielt werden, was nicht mehr vor der Ratssitzung geschehen könne. Nach der Entscheidung des Rates würden die Gespräche fortgesetzt. Prinzipiell müsse ein Vergütungsanspruch in einer prüffähigen Schlussrechnung dargelegt werden. Wenn zum Beispiel Materialkosten geltend gemacht würden, müsse deutlich werden, dass der Lieferant das Material nicht zurücknehmen und der Unternehmer es auch nicht anderweitig einsetzen könne.

Zur Vorgeschichte: Seit 2011 betreut der Caritasverband ausländische Flüchtlinge in Dinslaken. Für seine Arbeit wird er dabei von der Stadt bezahlt. Die Stadt hatte den Caritasverband auch mit der Errichtung von Gebäuden für die Flüchtlingsunterbringung beauftragt. Für die Bauherrenvertretung erhält der Verband jeweils zehn Prozent der nachgewiesenen Bausumme.

Unter dem Eindruck der 2015 sprunghaft ansteigenden Flüchtlingszahlen und den Schwierigkeiten, die damals ihre Unterbringung bereitete, hat die Dinslakener Politik 2016 den Bau weiterer Häuser beschlossen, vier an der Fliehburg, von denen zwei fertiggestellt sind, und drei in der ehemaligen Obdachlosenunterkunft im Hardtfeld. Das Problem: Die zwei bereits gebauten Häuser in der Fliehburg und die zwei, die noch entstehen sollten, liegen auf dem Gelände des ehemaligen Sportplatzes. Der gehört der Stadt nicht und muss spätestens 2025 wieder geräumt sein. Da die Fliehburg aber ein Bodendenkmal ist, könnte es sogar sein, dass die Häuser schon früher wieder verschwinden müssten. Auch der Bau der zusätzlichen drei Häuser im Hardtfeld wäre problematisch, weil sie in einem Landschaftsschutzgebiet lägen. Sie wären deswegen auch nur befristet genehmigt. Im schlimmsten Fall so hatte Kämmerer und Baudezernent Thomas Palotz im Finanzausschuss im Juni Alarm geschlagen, drohten der Stadt, würden die fünf Häuser gebaut, kurzfristige Abschreibungen, die sie mit einem Verlust von rund 2,5 Millionen Euro bilanzieren müsste, was sofort in die Haushaltssicherung führen werde. Zudem, so rechnet die Stadt vor, seien nicht so viele Flüchtlinge, wie beim Baubeschluss erwartet, zugewiesen worden. Seit dem Frühjahr 2016 sinke die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge zunehmend. Daher benötige auch Dinslaken mittlerweile weniger Unterbringungsmöglichkeiten als zunächst prognostiziert. Zurzeit gebe es bereits über 600 freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften.

Im Sommer hatte die Stadt dann einen Baustopp für die fünf vom Rat beschlossenen Häuser entlassen. Seitdem geht es um die Frage, welche Kosten aufgrund bereits bestehender Vergütungsansprüche den beauftragten Firmen und dem Caritasverband zustünden, wenn die Häuser gar nicht gebaut würden. Wie das Rathaus gestern in seiner Pressemitteilung betonte, folge die Verwaltung dem Grundsatz, dass dem Caritasverband und den durch ihn beauftragten Unternehmen kein Nachteil durch eine Kündigung von Bauverträgen entstehen soll. Die Stadt wolle ihrer Verantwortung nachkommen. Nach einer Beendigung der Bauverträge strebe sie weiter eine sachgerechte und möglichst einvernehmliche Lösung an.

Caritasdirektor Michael van Meerbeck wollte sich gestern mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Thema äußern. SPD-Fraktionschef Jürgen Buchmann und sein CDU-Kollege Heinz Wansing verwiesen darauf, dass sie den Vorschlag der Stadt erst noch in ihren Fraktionen diskutieren und bewerten müssten. Wansing betonte, dass für die Christdemokraten nur eine wirtschaftlich vertretbare Lösung in Frage käme, die die Bürger möglichst wenig belaste. Grünen-Specherin Lilo Wallerich erinnerte daran, dass ihre Fraktion beantragt habe, vor einer Entscheidung im Rat zunächst den Caritasverband und dessen Rechtsanwalt zu hören. Diese Forderung bekräftigte sie noch einmal. Gerd Baßfeld von den Linken schloss sich dieser Forderung genauso an wie der Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Bürgervertretung, Heinz Brücker. "Wir haben den Eindruck, dass die Politik bisher sehr einseitig informiert wurde", sagte Brücker.

(RP)
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