Unsere Woche Es stinkt zum Himmel

Dinslaken · Ein Deponiebetreiber aus Hünxe stellt einen Prokuristen als externen Müllmakler an - der schafft illegal Giftmüll auf die Deponie. Welche Schuld trifft dann das Unternehmen selbst? Es bleiben Fragen im Ölpellets-Skandal.

Ein Befreiungsschlag sollte der Donnerstag für den Deponiebetreiber Nottenkämper aus Hünxe werden. Nach Monaten des Schweigens nach Bekanntwerden des Ölpellet-Skandals äußerte sich das Unternehmen erstmals gegenüber der Öffentlichkeit. Nach diesem turbulenten Donnerstag darf man bilanzieren: Die Schilderungen des Hünxer Unternehmens, das sich als Opfer von kriminellen Machenschaften sieht, wirken auf den außenstehenden Betrachter authentisch, Geschäftsführer Thomas Eckerth wusste glaubhaft zu vermitteln, dass sein Unternehmen von den Straftaten überrascht wurde und um Aufklärung bemüht ist. Gleichwohl bleiben nach diesem Termin viele Fragen, und die drängendste ist: Wie sehr hat Nottenkämper durch ein kompliziertes Anstellungsverhältnis seines Prokuristen die Missstände erst begünstigt? Wie sehr ist also das Unternehmen mitschuldig?

Man staunt immer noch über das, was Geschäftsführer Eckerth da in der Pressekonferenz berichtete. Der Hauptangeklagte Ingo L. , mittlerweile verschwunden, war als Prokurist, also Vertreter des Nottenkämper-Geschäftsführers, quasi nur im Teilzeitjob tätig. Ingo L. führte selbst Firmen, die wiederum die Müllakquise für Nottenkämper betrieben, dabei aber die gleiche Geschäftsadresse hatten. Als Prokurist ist man ein Angestellter, der umfangreiche Vollmachten besitzt, im Namen des Unternehmens Geschäfte abwickeln darf, geschäftliche Korrespondenzen führt. So eine Vollmacht gibt man als ein seriös agierendes Unternehmen - erst recht in dieser ohnehin am schlechten Ruf leidenden Branche - nicht einem Mitarbeiter im Teilzeitjob, der wiederum auch als Makler agiert. Das Unternehmen hatte den Überblick verloren, welche dubiosen Aufträge Ingo L. Beschaffte, welcher Müll also auf der Kippe landete. Geradezu mafiöse Strukturen hat Ingo L. mit seinen Mittätern offenbar aufgebaut. Tarnen, tricksen, täuschen.

Zur Wahrheit gehört auch: Für Nottenkämper war dieses Anstellungsverhältnis günstig. Hätte Ingo L. die Ölpellets als direkter Teil des Unternehmens, nicht als Makler, akquiriert, dann würde die Haftung Nottenkämpers klarer sein. Nur das Konstrukt eines besonderen Geschäftsverhältnisses bedingt, dass Nottenkämper Opfer ist, sich mit seiner 2014 gegründeten Tonstiftung weiter als Förderer der Region präsentieren kann, während der mittlerweile verschwundene Prokurist als Strippenzieher gilt.

Was droht noch in diesem Skandal? Es ist nicht ausgeschlossen, dass Ingo L. sein illegales Geschäftsmodell nicht nur mit Ölpellets praktiziert hat, womöglich gar weitere illegale Abfälle auf anderen Deponien gelandet sind. Die Beweislage ist schwierig, das ist Job der Staatsanwaltschaft. Das Unternehmen Nottenkämper jedenfalls räumte Fehler ein. Ja, man würde heute einen Prokuristen nicht mehr im Nebenjob anstellen. Nein, man wisse nicht, ob weiterer Giftmüll illegal auf die Deponie gelangt ist. Schließlich, und auch dies erstaunte in der Pressekonferenz, wurde die Ladung der anliefernden Lkw nur stichprobenartig überprüft, nicht mal eine Videoüberwachung erfolgt bisher. Eckerth entschuldigte dies in der Pressekonferenz damit, dass es systembedingte Probleme gebe. Drei Jahre sind vergangen, seitdem Nottenkämper auf den Missstand aufmerksam gemacht wurde - und in einer Pressekonferenz werden dann technische Gründe dafür angegeben, dass eine Videoüberwachung nicht funktioniert. In einem Unternehmen, das Millionen Euro jährlich umsetzt?

All das ist Grund dafür, das Netz der Überwachung engmaschiger zu spannen. Das kann nur im Interesse von Nottenkämper sein. Ein intensiveres Grundwassermonitoring muss her, regelmäßigere Kontrollen müssen erfolgen. Der Kreis muss im Dialog mit Nottenkämper Sorge dafür tragen, dass eine fortlaufende Untersuchung der Umwelteinflüsse der Deponie möglich wird. Was ist, wenn das Unternehmen Nottenkämper nicht mehr existiert, wer kommt dann für die Kosten auf? Die Auswirkungen der Tongrube Nottenkämper, die teilweise nun Giftmülldeponie ist, könnten sich erst in Jahrzehnten zeigen.

SEBASTIAN PETERS

Ihre Meinung zu dem Thema? Schreiben Sie an sebastian.peters@rheinische-post.de

(RP)
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