Serie Lebenswege - Senioren Erzählen (2) Ein bisschen Heimat bleibt

Dinslaken · Unsere Journalistenschülerin Jana Bauch hat Weseler Senioren besucht, hat sie erzählen lassen und porträtiert. Was haben sie erlebt, wie ist es ihnen im Krieg ergangen und wie leben sie heute? Heute erzählt sie von Elfriede Mölders (94).

 Elfriede Mölders wurde am 11. Juli 1923 in Wesel geboren. Jetzt lebt sie im Haus Kiek in den Busch.

Elfriede Mölders wurde am 11. Juli 1923 in Wesel geboren. Jetzt lebt sie im Haus Kiek in den Busch.

Foto: Jana_Bauch

Wesel Seit eineinhalb Jahren wohnt die 94-jährige Elfriede Mölders im Seniorenheim Haus Kiek in den Busch - und ein wenig ist es dort wie früher zuhause. An den Wänden ihres Zimmers hängen viele Erinnerungen. Die vier Porzellanpuppen, die an ihrem Wohnzimmertisch sitzen, hat ihre Familie dort als dekorative Gesellschaft für sie platziert. Hübsch und sehr persönlich eingerichtet ist ihr Zimmer.

Besonders fällt ein leuchtend blaues Ölporträt ins Auge. Es zeigt Elfriede Mölders in jungen Jahren und lässt die 1923 geborene Weselerin an fürchterliche Kriegszeiten zurückdenken. Das Bild erinnert sie an ihren verstorbenen Mann Erwin Mölders: "Beim Tanzen haben wir uns kennengelernt, ein guter Mann. Wie das so läuft, sind wir dann beieinander geblieben." Ihr Mann muss während des Krieges als Soldat dienen. Dann gerät er in Großbritannien in Gefangenschaft. Dort malt dann ein Kamerad von ihm das leuchtend blaue Ölporträt seiner geliebten Elfriede.

Auch sie selbst wird während des Krieges zur Wehrmacht zwangsversetzt und bekommt so von der Zerstörung in Wesel nicht viel mit. In Hannover muss die gelernte Buchdruckerin bei der Flak mit Scheinwerfern nach Flugzeugen suchen. Mit zehn Mädchen und einem Scheinwerferführer liegt sie in einer Baracke. "Das war 'ne schlimme Zeit," sagt Elfriede Mölders nachdenklich. "Damals konnte keiner was machen, das war schlimm. Die jungen Leute heute wissen das gar nicht zu schätzen. Heute bin ich zufrieden mit allem. Hier darf ich nichts vermissen, darf nicht klagen, hab' alles, was ich brauche, kann machen, was ich will. Die Pfleger sind sehr gut zu mir. Ich finde, dass die Zeit hier sehr schnell vergeht. Jetzt bin ich schon seit eineinhalb Jahren hier und weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist!"

 Ein früheres Porträt von Elfriede Mölders hängt im Zimmer.

Ein früheres Porträt von Elfriede Mölders hängt im Zimmer.

Foto: Jana_Bauch

Elfriede Mölders kann nach dem Krieg nach Wesel zurückkehren: "Hier war alles neu, man hat sich gar nicht mehr zurechtgefunden." Als Erwin Mölders 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, nutzen die beiden Verliebten die Gelegenheit und heiraten 1949 in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt. 1950 entscheiden sie sich dazu, nach Bocholt zu ziehen. Ihre Wahl-Heimat muss Elfriede Mölders schließlich Anfang 2016 aufgeben.

Weihnachten 2015 erleidet sie einem Schlaganfall. "Der hätte nicht kommen dürfen. Ich war fertig, hatte aber keine Schmerzen und kam nicht mehr hoch," erinnert sie sich. Anschließend geht sie in Reha und benutzt seitdem einen Rollator. Ihre Familie möchte nicht, dass sie weiterhin alleine wohnt, denn ihr Mann ist bereits vor 22 Jahren verstorben. Elfriede Mölders kehrt also nach Wesel zurück und zieht ins Altenheim Haus Kiek in den Busch.

 Zimmerdekoration: Diese Puppe stammt von der Familie.

Zimmerdekoration: Diese Puppe stammt von der Familie.

Foto: Jana_Bauch

"Meine Wohnung aufzugeben, das war ein radikaler Schnitt. Besonders traurig fand ich, dass niemand meine Sachen haben wollte, noch nicht einmal das Rote Kreuz. Es ist nicht einfach, sich von den Sachen zu trennen, für die man Jahre lang hart gearbeitet hat. Viel konnte ich hier in das Zimmer nicht mitnehmen, da ich den Platz zum Laufen brauche. Nur ein paar Kleinigkeit sind übrig geblieben."

Doch trotzdem, das sieht die Frau ein, ist der Einzug in das Altenheim die bessere Alternative für die 94-Jährige: "Zu Hause habe ich mich allein gefühlt. Im Hotel wohne ich sozusagen, ich habe es wirklich gut hier. Ich kann mir wünschen, was ich möchte. Allerdings sind viele kranke Leute hier, vor allem viele Demenzkranke. Für die Spiele am Nachmittag sind nur noch vereinzelnd Menschen fit genug. Mit den anderen kann man nicht spielen, die schmeißen immer gleich alles hin, wenn sie verlieren", bedauert sie. Besonders gut gefallen ihr auch das Schützenfest, die Grill- und Gartenfeste mit Kaffee und Torten, sowie gelegentlich ein schönes Glas Wein. Auf ihren Besuch zweimal jede Woche freut sich Elfriede Mölders immer sehr.

Die Seniorin hat ein Ziel: "Ich möchte noch 100 Jahre alt werden, dann habe ich alles erreicht, was ich will! So wie ich mich momentan fühle, wird das auch. Wenn es dann soweit ist, dann möchte ich schnell weg sein vom Brett. Rapzap, wenn sterben, dann schnell - aber erst 100 werden."

(RP)
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