Dinslaken Dumme Schüler, genervte Eltern

Dinslaken · Die Kathrin-Türks-Halle steht als Theaterspielstätte derzeit nicht zur Verfügung. Also bekamen die Zuschauer Lutz Hübners turbulente Komödie "Frau Müller muss weg" in der Aula des Otto-Hahn-Gymnasiums zu sehen.

 Wenn Schüler schlechte Noten bekommen, ist die Schuldige schnell ausgemacht: die Lehrerin.

Wenn Schüler schlechte Noten bekommen, ist die Schuldige schnell ausgemacht: die Lehrerin.

Foto: Joosten

Man hätte es auch gleich nebenan als Klassenzimmerstück aufführen können, wäre das Publikumsinteresse nicht so hoch gewesen. Und Lutz Hübners Schulkomödie "Frau Müller muss weg" spielt auch an einer Grundschule in Dresden, das Dinslakener OHG war am Freitagabend nur die Spielstätte. So fand der Elternabend dieser speziellen Klasse 4b auf der Bühne der Aula statt. Eine Bühne, die Ausstatterin Monika Frenz mit Tafel, Bänken und Bildern von Grundschulkindern der Domschule und Eine-Welt-Schule in Minden in ein echtes Klassenzimmer verwandelt hat.

Hier trafen sich die kühl gestylte Elternsprecherin Jessica Höfel (Andrea Lüttke), der arbeitslose Wolf Heidler (Wolfgang Seidenberg), die alleinerziehende Mutter Katja Grabowski (Iris Boss) und das unter der Dresdener Mentalität leidende Kölner Ehepaar Marina und Patrick Jeskow (Katrin Filzen und Thomas Martin) zu nur einem Zweck: "Frau Müller muss weg". Denn die Leistungen ihrer Sprösslinge sind ausgerechnet kurz vor der Vergabe der über die weitere schulische Zukunft entscheidenden Halbjahreszeugnisse abgerutscht und wer daran Schuld ist, ist ja wohl klar: die Lehrerin, wer sonst. Dass diese zum Schluss der Klasse erhalten bleibt, weil sich die Eltern dümmer anstellen als ihre Sprösslinge, ist Teil des Komödienhandwerks, mit dem Hübner mit spielerischer Leichtigkeit arbeitet und das vor allem Katrin Filzen mit Heulen auf Kommando und Thomas Martin im wortwörtlichen Galopp geradezu in Volkstheatermanier bedienen. Ein Komödienhandwerk, mit dem Hübner ein Bild der bundesdeutschen Gesellschaft zeichnet, das bei allen stereotypen erschreckend realistisch schien. Überfordert, hyperaktiv und zu intelligent für dieses Umfeld, dass nur noch der Rückzug in sich selbst bleibt: Die Kinder in Frau Müllers Klasse sind die Ausgeburten der Probleme ihrer Eltern, die wiederum Opfer der Leistungsgesellschaft sind. Ein Teufelskreis. Wolfi ist der Verlierer-Ossi, von der DDR traumatisiert, aber in der Bundesrepublik nie angekommen. Weil er selbst versagte, überdreht er seine Tochter wie ein Gewinde.

"Nach fest kommt ab" lautet eine alte Monteurs-Weisheit. Die überforderte Janine sackt in der Schule ab und hängt sich an die Klassenzicke, die selbst ihre Mutter im tiefsten Inneren furchtbar findet. Dabei fällt der Apfel nicht weit vom Stamm. Und wenn dieser Lukas Reskow wirklich das Produkt seiner streitenden Eltern ist, dann Gnade nicht nur dem stillen Fritz Grabowski, den er verprügelt, sondern auch der armen Frau Müller (Claudia Rieschel).

Diese Pädagogin aus Leidenschaft steht für die unzähligen Lehrerinnen und Lehrer der Republik, die sich täglich mit den Problemen auseinandersetzen müssen, die Eltern und Umfeld in den Kindern zu katalysieren versuchen. Frau Müller bietet Gesprächsrunden an, damit sich die Kinder ihre Probleme zu Hause von der Seele reden können, wer aber therapiert die Eltern?

Ein amüsanter Spiegel der Gesellschaft, dem das Publikum viel Applaus spendete.

(RP)
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