Rp-Exklusiv-Interview Dr. Michael Heidinger "Die Lage ist diesmal verdammt ernst"

Dinslaken · Dinslakens Bürgermeister steht vor der vielleicht größten Herausforderung seiner bisherigen Amtszeit. Wilde Möhnen haben, das gab's in dieser Stadt zuletzt vor über 30 Jahren, den Sturm auf die Rathausburg angedroht.

Rp-Exklusiv-Interview Dr. Michael Heidinger: "Die Lage ist diesmal verdammt ernst"
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Herr Dr. Heidinger, die allwöchentliche Sitzung des Verwaltungsvorstands hat gestern dem Vernehmen nach ungewöhnlich lange gedauert. Einziger Tagesordnungspunkt war der Ansturm der marodierenden Weiber, der für den morgigen Tag angekündigt ist. Wie ernst ist die Lage tatsächlich?

Michael Heidinger Die Lage ist verdammt ernst. In ihrer hohen Verantwortung haben die Mitglieder des Verwaltungsvorstands verschiedene Strategien entwickelt, wie dem Ansturm der jecken Weiber begegnet werden soll. Das reichte von dem indiskutablen Vorschlag der fluchtartigen Aufgabe und dem Verkriechen in dem mit mächtigen Türen bestens gesicherten Keller des Rathauses bis zur heldenhaften Gegenwehr mit dicken Konfettikanonen. Ein Vorschlag gipfelte im feigen Emigrieren in eine karnevalsfreie Kommune in der Nachbarschaft. Unglaublich! Aber so ist es halt: In der Not trennt sich auch bei der Qualität der Mitarbeiter die Spreu vom Weizen.

Mit welcher Strategie werden Sie sich dem Ansturm entgegenstemmen?

Heidinger Das zu offenbaren - das weiß jeder Militär - wäre nicht nur kontraproduktiv, die Möhnen würden sich doch nur ins Fäustchen lachen. Die Rathausstürmerinnen müssen sich jedenfalls auf einiges gefasst machen und mit dem Schlimmsten rechnen. Das gilt für jeden, der das ehemalige Kastell erobern und diese Stadt in seine Gewalt bringen möchte. Da verstehe ich keinen Spaß, auch und gerade nicht an Karneval.

Welche Parole werden Sie morgen ausgeben?

Heidinger Als Oberst der Reserve kann es für mich nur eine Parole geben: Kämpfen bis zum letzten Konfetti-Schnipsel! Wir sind gut vorbereitet und haben die meisten Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung als Torwachen zwangsverpflichtet. Darüber hinaus habe ich eine weitere Maßnahme verfügt: Im Gegensatz zu normalen Zeiten wird der Büroschlaf am Donnerstag hart bestraft!

Wie lange glauben Sie, das Rathaus halten zu können?

Heidinger Die Schlacht wird hart, und wir werden uns so lange wie möglich tapfer widersetzen. Den erwartbaren hohen Verlusten werden wir mit frischen Kräften aus den Reihen des Rates zur Auffüllung der Lücken begegnen. Bewährt und immer wieder gern gebraucht ist als letztes Mittel die Hinhaltetaktik und notfalls das Bemühen, in Maßen Zugeständnisse zu machen.

Die Kriegskasse der Stadt Dinslaken ist spärlich gefüllt. Ansgar, der Landvogt des Kreises Wesel, hat Ihnen strengste Ausgabendisziplin auferlegt. Werden Sie dennoch den Versuch unternehmen, die wilden Weiber ein wenig zu besänftigen, indem Sie ihnen alkoholische Getränke spendieren?

Heidinger Wenn der Chronist es für sich behalten kann, weil es letzter Teil der Strategie ist: Den anstürmenden Frauen und allen begleitenden Narren versuchen wir durch süßen Met den Angriffswillen zu nehmen. Landvogt Ansgar hat dem nach meinen Informationen zugestimmt und sich bereit erklärt, die Hälfte des Betrages für den köstlichen Trunk aus seinem Reptilienfonds der kommunalen Schatulle zuzuführen.

Welche Vorschläge zur Gegenfinanzierung dieser Auslagen hat der Kämmerer noch erarbeitet?

Heidinger Zum Glück gehen Schatzkanzler Thomas die Ideen nicht aus. Sympathisch und auf jeden Fall realisierbar ist sein Vorschlag, die Vergnügungssteuer zu erhöhen und bei den Gastwirten dieser Stadt eine freiwillige Zwangsumlage einzusammeln. Sollte das am Ende nicht reichen, müssen städtische Beschäftigte notfalls für eine Kollekte auf die Straße gehen. Im Sinne einer Identifikation mit der Burg als Arbeitgeber wird man das ja wohl erwarten dürfen.

Das Ziel der Möhnen ist allgemein bekannt. Sie wollen nur das eine: Schlipse. Manche Männer versuchen, den Angriffen zu entgehen, indem Sie einfach keinen Schlips umbinden. Werden Sie derartige Feigheit vor dem Feind zulassen? Oder haben Sie für Ihre Mannen im Rathaus morgen Krawattenzwang angeordnet?

Heidinger Feigheit vor dem Feind wird unter gar keinen Umständen geduldet. Um unsere Wehrhaftigkeit zu dokumentieren, habe ich in der Tat den Krawattenzwang angeordnet. So oder so: Am Donnerstag winken den Mutigen jede Menge Trophäen!

Haben Sie schon entschieden, mit welcher Krawatte Sie sich morgen den jecken Weibern entgegenwerfen?

Heidinger Die Antwort ist einfach: Es kann nur die Beste meiner Krawatten sein. Denn nur wer etwas zu verlieren hat, wird bis zum Letzten kämpfen. Und genau dafür haben mich die Bürgerinnen und Bürger innerhalb unserer Stadtmauern gewählt!

JÖRG WERNER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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