Dinslaken Der Sehnsucht eine flaue Bühne

Dinslaken · Burghofbühne lädt zum "Frühstück bei Tiffany": Sogkraft entwickelt Nadja Blanks Inszenierung erst am Schluss.

 Lara Christine Schmidt alias Holly sehnt sich nach Tiffany - dem Edel-Schmuckshop in der Fifth Avenue.

Lara Christine Schmidt alias Holly sehnt sich nach Tiffany - dem Edel-Schmuckshop in der Fifth Avenue.

Foto: LTB

Die Burghofbühne wagt viel, dass sie "Frühstück bei Tiffany" auf den Spielplan setzt. Eine Filmikone Hollywoods, zu der fast jeder Audrey Hepburns Silhouette und ihren rehkitzgleichen Blick nah vor sich sieht. Wie will man das am Niederrhein besetzen? Der Filmerfolg tat seinerzeit dem Originaltext von Truman Capote einige Gewalt an, verschönte die literarische Vorlage gehörig. Das Vorbild aus dem Buch will gemeistert und das Abbild von der Leinwand will also überwunden sein. In London ging das vor wenigen Jahren (trotz Starbesetzung) gehörig daneben. Doch Mut gehört nun mal zur Bühne und Mirko Schomberts Team setzt gleich aufs Ganze und wählt das literarische Original statt das Filmscript als Ausgangspunkt. Das ehrt das Buch Capotes und ehrt die Burghofbühne.

Das Stück um Holly Golightly (nomen est omen), die das schwere Leben leicht zu nehmen und die Männer-Bindung vage nur zu halten trachtet ("Ich habe Pläne, und du gehörst nicht dazu"), erweist sich in der Kathrin-Türks-Halle als schwerer Brocken. Ist Holly (Lara Christine Schmidt) eine abgezockte Prostituierte, die nimmt, was sie kriegen kann oder einfach eine Schwester Leichtfuß, die da so hineingerät? Wenn ihr das Elend übergroß wird, sehnt sie sich nach Tiffany, dem Edel-Schmuckshop in der Fifth Avenue. Dort gilt's der Ruhe und der Schönheit. Ihr dichtender Nachbar Fred verfällt der Sphäre dieser Schönen hoffnungslos und kämpft um sie. Er steht für bestes Wollen und für ernste Ehrbarkeit. Klar bei der Ausgangslage, dass da zwei nicht wirklich zueinander passen.

Kurz: Es geht hier um die Liebe, ihre Wirrungen und darum, dass man lernen muss sie zu erkennen und konsequent zu leben. Von solchem Feuer hätte man gern mehr gespürt. Markus Penne spielt den Dichter Fred mit vehementer Inbrunst, dringt aber nicht durch. Das liegt (leider) zu weiten Teilen an der weiblichen Hauptperson: Holly Golightly ist bei Lara Christine Schmidt (oder soll man sagen bei Regisseurin Nadine Blank?) eine kalte Schönheit ohne Präsenz. Der Text wirkt über weite Strecken wie aufgesagt und wird in hohem Register (ohne leibliche Resonanz) ausgestoßen. Folge: Man hört sich das alles an, wird aber nicht tief genug hineingezogen in dieses Schicksal. Erst in den letzten gut zehn Minuten, mit der Szene mit Fred am Krankenbett, wird erlebbar, welche Sogkraft dieser Text entwickeln kann, wenn er zum Leben erweckt wird. Nochmal: Wir wissen nicht, ob die Regie die Anämie in dieser Liaison absichtlich förderte. Durch diesen Ausfall aber werden Nebensächlichkeiten plötzlich wichtig: Carlo Sohn räumt als O.J. Berman schon nach 15 Minuten einen Szenenbeifall ab und landet im zweiten Teil selbst aus dem "Off" noch einen Treffer als überdrehter Filmagent. Christiane Wilke gibt die schräge Freundin Mag: Wie sie im Rausch auf den Boden knallt, ist gekonnt, und wie sie erspürt, dass sich die Party von ihr distanziert, ist klasse gespielt. Plötzlich ist - für einen Augenblick - eine Fallhöhe im Raum, die packen kann.

Der Abend beginnt vielversprechend: Die Szene unseres (späteren) Missvergnügens ist New York. Elisabeth Pedross kreiert ein Bühnenbild, aus dessen verschiebbaren Wänden geisterhaft Module sich bewegen, um etwa Bett oder Barhocker abzugeben. Klappen, Türen - alles verborgen wie der Lebenssinn der Protagonistin. Was wie eine graue Tapete der Nierentisch-Ära anmutet, könnte auch der Käfig sein, den Holly für ihre Freiheit hält. Stark ist der Schlussakkord, wenn Holly in die Fremde aufbricht und - die Hinterwand öffnet sich - im Lichte steht. Da im kleinen Ensemble sich die Millionenstadt nicht gerade üppig widerspiegeln kann (kein gelbes Taxi, kein Regen, keine wirkliche Katze), gibt es Doppel- und Dreifachbesetzungen en masse. Mit sieben Darstellern kommt Blank aus. Die meistern das fast ohne jegliches Chargieren (Anton Schieffer darf sogar stumm in Truman Capotes Maske auf die Party). Christian Grifas atmosphärisch dichte Musik wird passgenau eingespielt.

Doch alle diese Zutaten verhelfen dem Abend wegen seiner Schwächen rund um die beiden Hauptfiguren nicht zu der denkbaren und nötigen Höhe. Dem Intendanten aber gefiel es. Er hat vorab vor noch geschlossenem Vorhang Zeugnis davon abgelegt. Der Saal indes war mindestens zu einem Viertel leer.

(RP)
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