Dinslaken Blutige Geschichten aus dem Kirchenarchiv

Dinslaken · Pfarrer Rieger begleitete im Januar 1693 einen Verurteilten zum Oberlohberger Galgen. Sepp Aschenbach hat die Geschichte nachgelesen.

Dinslaken: Blutige Geschichten aus dem Kirchenarchiv
Foto: Lars Fröhlich

Es war wohl der schwerste Weg, den Pfarrer Johann Conrad Rieger am 28. Januar 1693 ging - er begleitete den zum Tode verurteilten Hermann Barmscheidt auf seinem letzten Gang zur Hinrichtung auf den Oberlohberg. Barmscheidt aus dem Kirchspiel Hiesfeld war wegen begangener Blutschande und Ehebruch mit seiner Stieftochter Liesbeth verurteilt und sollte nun auf dem Lohberg mit dem Schwert hingerichtet werden. "... da dann der Kopf auffm Pfal gestecket, der Leib aber in den Sarck gelegt worden. Und ist die Ausführung in Begleitung von mir und dem zeitlichen Pastor zu Hießfeldt, Herrn Adolph Hencke, in Begleitung etlicher Tausend Menschen geschehen", schreibt 1693 Rieger ins Protokollbuch der lutherischen Gemeinde. Seine Stieftochter wurde übrigens ein paar Monate vor ihm auf die gleiche Weise hingerichtet. "Da aber hatte sich Pfarrer Rieger vertreten lassen", erzählt Sepp Aschenbach, Pfarrer im Ruhestand der evangelischen Kirchengemeinde Eppinghoven. "Die zweite Hinrichtung hatte er wohl nicht umgehen können."

 Blick in das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Dinslaken mit Archivar Pfarrer i.R. Sepp Aschenbach.

Blick in das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Dinslaken mit Archivar Pfarrer i.R. Sepp Aschenbach.

Foto: Lars Fröhlich

Das Protokollbuch hat Aschenbach eingesehen, einerseits für sein Buch "400 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Dinslaken", andererseits weil er diesen Schatz aus dem 17. Jahrhundert hütet. Seit drei Jahren kümmert sich der pensionierte Pfarrer um das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Dinslaken. Das Protokollbuch ist dabei nicht das einzige Schmankerl des Kirchenarchivs, auf zwei Urkunden besonderer Art weist Aschenbach noch hin. Da ist einmal eine Urkunde aus dem Jahr 1611, in der Markgraf Ernst von Brandenburg und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg der lutherischen Gemeinde die Vikarie St. Georg überlassen. "Zu jedem Altar gehörten damals Grundstücke, von deren Pacht die Messen bezahlt wurden", erklärt Sepp Aschenbach. "Die Stadt konnte damals über die Gelder verfügen. Durch die Kirchenspaltung bekam nicht nur die katholische, sondern nun auch die lutherische Gemeinde Geld. Man könnte also sagen, die Katholiken bezahlten den ersten lutherischen Pfarrer." In einer zweiten Urkunde, dieses Mal aus dem Jahr 1649, befreit Friedrich Wilhelm Markgraf zu Brandenburg die Reformierte Gemeinde zu Dinslaken "von der Rente von 2 ½ Hühnern..." für den vorgesehen Platz der zukünftigen Kirche. Heute steht dort noch immer die evangelische Stadtkirche. Des Weiteren weist der Markgraf an, dass die Prediger und Schulmeister der reformierten Gemeinde dieselben Privilegien genießen sollten, wie die der anderen Kirchen. Was in den Folgezeiten zu mancherlei Reibereien und aus der heutigen Sicht zu Kuriositäten führte. "Selbst Beerdigungen wurden von der jeweils anderen Kirche boykottiert", erzählt Aschenbach.

All dies sei in den Unterlagen des Archivs verzeichnet. Aufgeteilt ist das Kirchengut in zwei Archive: das "Alte Archiv" mit den Beständen der lutherischen und reformierten Gemeinde aus dem 17. und 18. Jahrhundert. "Hier befinden sich die beiden genannten Urkunden, aber auch Kaufverträge, Berichte über Reparaturen und Baumaßnahmen, Urkunden über Vermächtnisse und Liegenschaften", zählt Sepp Aschenbach auf. Dann gäbe es da noch das "Neue Archiv", dort sind die Aktenbestände der vereinigten Gemeinden zu finden, denn 1817 schlossen sich die lutherischen und reformierten Gemeinden zusammen.

"Leider ist alles nicht toll gelagert", bemängelt Aschenbach. Dabei konnte das Archiv einst mit der Note "vorzüglich" belegt werden, war es doch nach dem Krieg sorgfältig und umfassend geordnet worden, sogar ein Findbuch war angelegt. Auch Verwaltungsleiter Heinrich Sarres habe das Archiv noch sorgfältig verwaltet, so Aschenbach, doch in den vergangenen 20 Jahren weise es große Lücken auf. "Es hat sich einfach niemand mehr dafür interessiert", so Aschenbach. Nun liegt es an ihm und Presbyter Dieter Tepel, das Kirchenarchiv wieder in Schwung zu bringen.

Und beide sind mit Feuereifer dabei. Sichten, Ordnen, Katalogisieren steht an - Protokolle, Presseberichte, Verträge, Fotos von wichtigen Ereignissen, die Ausgaben des Gemeindebriefes müssen gesammelt werden, um die Geschichte der Gemeinde für die Nachwelt nachzeichnen zu können.

(RP)
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