Reportage "Am Montag" Als Freiwillige im Westjordanland

Dinslaken · Die Voerder Studentin Carolina Drüten nimmt am Summer Work Camp der palästinensischen Birzeit Universität teil.

 Carolina Drüten mit einem Mädchen, das von der Armaa Organisation betreut wird. Die Voerder Studentin hält sich gegenwärtig im Westjordanland auf.

Carolina Drüten mit einem Mädchen, das von der Armaa Organisation betreut wird. Die Voerder Studentin hält sich gegenwärtig im Westjordanland auf.

Foto: CD

Es ist heiß, doch das stört die Kinder nicht. Ausgelassen werfen sie ihre Hände in die Luft, jauchzen vor Freude. Ich schlage mit meinen Armen wie mit Flügeln, im Takt der Musik. Hühnertanz. Ein Mädchen greift nach meiner Hand, wir tanzen zusammen. Die Armaa Organisation in Ost-Jerusalem betreut arabisch-israelische Kinder, die meisten im Grundschulalter. Sie sollen den Alltag in unmittelbarer Nähe zur israelischen Besatzung vergessen und eine unbeschwerte Zeit erleben. Heute bin ich dabei und helfe, spiele, schlichte Streit - als Freiwillige mit einer palästinensischen Universität.

Seit 1981 veranstaltet die Birzeit Universität im Westjordanland Summer Work Camps, um die Situation der Palästinenser international bekannt zu machen und den Teilnehmern einen Einblick in die Gesellschaft zu ermöglichen. Für zwei Wochen leiste ich mit etwa 40 jungen Menschen, die eine Hälfte aus aller Welt, die andere Hälfte palästinensisch, Freiwilligenarbeit in Gemeinden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Flüchtlingscamps. Wir besuchen palästinensische Städte und Dörfer, nehmen an kulturellen Festen teil und diskutieren mit Politikern und Akademikern.

 Das Spielen mit den Kindern gehört zum Summer Work Camp, an dem Carolina Drüten teilnimmt.

Das Spielen mit den Kindern gehört zum Summer Work Camp, an dem Carolina Drüten teilnimmt.

Foto: Carolina Drüte

Besonders beeindruckend fand ich das Flüchtlingscamp Dheisheh. Es wirkt wie eine eigene Stadt, obwohl es ursprünglich als vorübergehendes Lager geplant war. Heute leben hier laut des Uno-Flüchtlings-Hilfswerks UNRWA etwa 15.000 Menschen. Es gibt zwei Grundschulen, eine für Jungen, eine für Mädchen, und einen Arzt. Die Hauswände in Dheisheh sind übersät mit Graffiti und politischen Statements. Wir, die Camp-Teilnehmer, bemalen eine Mauer mit bunten Farben und schreiben "Frieden" in verschiedenen Sprachen an die Wände.

Im palästinensischen Parlament in Ramallah treffen wir den Kulturminister Ehab Bseiso. "Die Quelle aller Gewalt ist die Besatzung", sagt er, und er wiederholt diesen Satz oft. Er spricht von willkürlichen Verhaftungen, von langen Wartezeiten an Checkpoints und von israelischen Siedlungen. Von palästinensischer Verantwortung spricht er nicht. Der Austausch mit israelischen Politikern führe aus seiner Sicht zu nichts. Stattdessen wirbt der Kulturminister für den Boykott israelischer Produkte und fordert die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Ich kann seine Position nachvollziehen, und doch glaube ich, dass es für beide Parteien wichtig ist, im Dialog miteinander zu bleiben.

 Auch die Voerderin hat das Wort Frieden an die Wand geschrieben.

Auch die Voerderin hat das Wort Frieden an die Wand geschrieben.

Foto: Carolina Drüte

Je mehr Gespräche ich über den israelisch-palästinensischen Konflikt führe, desto verworrener erscheint mir die Situation. Ich habe den Eindruck, dass viele Palästinenser den Konflikt einseitig betrachten, das Sicherheitsbedürfnis Israels beispielsweise scheint da keine Rolle zu spielen. Andererseits kann ich die Frustration meiner palästinensischen Bekannten verstehen, wenn Israel ihnen beispielsweise die Erlaubnis verwehrt, in andere Länder zu reisen. Eines ist mir jetzt allerdings klar: Über Israel und Palästina zu diskutieren, kommt einem Spaziergang im Minenfeld gleich.

Und dann gibt es Momente, in denen wir, internationale wie palästinensische Studenten, einfach nur junge Leute sind, die zusammen Spaß haben, lachen und gemeinsam Dabke tanzen, einen traditionellen palästinensischen Tanz. Eines Abends spielen einige Studenten der Universität arabische Lieder, es ist so schön, dass ich eine Gänsehaut bekomme.

Später unterhalte ich mich mit einem Musiker, dem Klarinettisten Ahmet, er spielt im palästinensischen Jugendorchester. Vor einigen Jahren, so erzählt er, wurde er an einem israelischen Checkpoint kontrolliert, als er von einer Probe kam. Zwei Soldaten beäugten argwöhnisch Ahmets Klarinettenkasten - sie vermuteten eine Waffe darin. Auch, als die Klarinette in ihren Einzelteilen vor ihnen lag, blieben sie weiterhand misstrauisch. Kurzerhand baute Ahmet das Instrument zusammen - und spielte das hebräische Volkslied "Hava Nagila", "Lasst uns glücklich sein", das er aus dem Radio kannte. Die Soldaten begannen zu tanzen.

(RP)
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