Jugendgefängnis in Ronsdorf 1000 Schuss Munition aus Wuppertaler JVA verschwunden

Wuppertal · Die Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf wird von einem neuen Skandal erschüttert. In der Waffenkammer des Jugendgefängnisses fehlt Munition. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

 In der JVA Wuppertal-Ronsdorf werden 1000 Schuss Munition vermisst. Sie ist eigentlich für die Dienstwaffen des Personals gedacht. Der Fehlbestand wurde im Mai bei der Leitung der Einrichtung angezeigt.

In der JVA Wuppertal-Ronsdorf werden 1000 Schuss Munition vermisst. Sie ist eigentlich für die Dienstwaffen des Personals gedacht. Der Fehlbestand wurde im Mai bei der Leitung der Einrichtung angezeigt.

Foto: dpa

Aus der Waffenkammer der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wuppertal-Ronsdorf sind nach Recherchen unserer Redaktion 1000 Patronen (Kaliber 9 mm) spurlos verschwunden. "Sie sind weg. Niemand weiß bisher, wo sie abgeblieben sind beziehungsweise wer sie genommen hat", berichtet ein Insider. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat", sagt er.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt bereits in dem Fall. "Die Leiterin der JVA hat den Fehlbestand im Mai bei uns angezeigt. Wir ermitteln gegen Unbekannt", bestätigte Oberstaatsanwalt Wolf Tilman Baumert. Zu der Waffenkammer haben eigentlich nur Bedienstete des Gefängnisses Zutritt. "Die Überprüfung des Personals ist Gegenstand der Ermittlungen", sagte Baumert.

Das nordrhein-westfälische Justizministerium hält sich bedeckt. "Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, dürfen wir nichts sagen. Wir wollen die Ermittlungen nicht gefährden", erklärte ein Sprecher von Justizminister Thomas Kutschaty (SPD).

Die Munition, die verschwunden ist, ist für die Dienstwaffen des Personals bestimmt und passt zudem in Maschinenpistolen. "Die Waffenkammer ist eigentlich immer verschlossen. Da kommt von den Gefangenen keiner ran", so der Insider. Offenbar wurde alles versucht, dass der Fall nicht an die Öffentlichkeit kommt. "Im Justizministerium wurde das Thema nicht an die große Glocke gehängt. Es war diesbezüglich verdächtig ruhig", hieß es.

Kritik an der Landesregierung gab es derweil von der CDU-Fraktion: Der Verlust der Munition zeige, dass Kutschaty inzwischen die Kontrolle über die Gefängnisse des Landes verloren habe, sagte der Rechtspolitische Sprecher der Union, Jens Kamieth. "Der Gedanke, dass in einer Justizvollzugsanstalt des Landes unbemerkt Munition abhandenkommen konnte, ist unerträglich", so Kamieth weiter. Zudem sei der Rechtsausschuss bis jetzt nicht über den Sachverhalt informiert worden. Kutschaty habe versucht, den Vorfall zu vertuschen. Kamieth will nun eine Sondersitzung des Rechtsausschusses einberufen.

Immer wieder Negativschlagzeilen

Das Jugendgefängnis für 14- bis 24-Jährige in Ronsdorf, das für 180 Millionen Euro neu gebaut wurde, sorgt seit der Eröffnung im Jahr 2011 regelmäßig für Negativschlagzeilen. Erst im Juni hatte sich ein 17-jähriger Insasse, der wegen Diebstahls und schwerer Körperverletzung einsaß, das Leben genommen. Die Anstaltsleitung ging von einer spontanen Verzweiflungstat aus. Einen Monat zuvor, im Mai, hatte ein 18-jähriger Häftling einen 20-jährigen Mitinsassen wegen 40 Euro Spielschulden erwürgt. Auch in dem Fall hatte es schwere Versäumnisse des Personals gegeben, die Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) öffentlich kritisierte. Denn der Täter war bereits früher in vier Fällen als Gewalttäter aufgefallen - einmal sogar mit einem Würgeangriff.

Wenige Tage davor hatte sich im April eine Justizvollzugsbeamtin (30) das Leben genommen. Sie erschoss sich mit ihrer Dienstwaffe - angeblich aus Liebeskummer. Nach Informationen unserer Redaktion soll im Zuge dieser Ermittlungen der Fehlbestand in der Waffenkammer aufgefallen sein. Offenbar wurde zunächst auch überprüft, ob es sich womöglich nur um einen Zählfehler gehandelt haben könnte. Aber das bestätigte sich bislang nicht.

Vor einem Jahr wurde bereits der damalige Leiter des Gefängnisses ausgetauscht, nachdem es über Jahre hinweg Vorwürfe (auch vom Personal) gegeben hatte, in der JVA herrschten Missstände, gewalttätige Übergriffe und Repression. Seitdem leitet Katja Grafweg das Gefängnis, das aus vier Hafthäusern, 18 Werkhallen und 13 Innenhöfen besteht und so gut ausgestattet ist wie kaum ein anderes in NRW. So wird die Anlage komplett videoüberwacht.

Eine der wenigen positiven Nachrichten vermeldete die JVA Ronsdorf vor genau einem Jahr. Damals hatte die aus Insassen bestehende Fußballmanschaft den Sepp-Herberger-Pokal gewonnen, der von Trainerlegende Otto Rehhagel überreicht wurde. Das Turnier ist der alljährliche sportliche Höhepunkt der Resozialisierungsinitiative "Anstoß für ein neues Leben".

Neues Personal sucht die JVA in Ronsdorf derzeit für den Vollzugsdienst. Auf der Internetseite des Gefängnisses kann man sich bewerben. Man sollte zwischen 20 und 38 Jahre alt sein und einen Hauptschulabschluss sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mindestens die Fachoberschulreife vorweisen können.

(csh)
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