Analyse Konzept der Grünen alarmiert Flughafen Düsseldorf

Düsseldorf · Mit ihrem Vorschlag für eine Neuordnung der Flughafenlandschaft in NRW haben die Grünen eine landesweite Debatte losgetreten. Wissenschaftler widersprechen Teilen des Grünen-Konzeptes.

 Der Düsseldorfer Flughafen bei Nacht.

Der Düsseldorfer Flughafen bei Nacht.

Foto: Oliver Berg

Mit ihrem Nein zur Kapazitätserweiterung am Düsseldorfer Flughafen haben die Grünen das wichtigste landespolitische Thema der Woche gesetzt. Der Vorschlag, stattdessen über eine neue Lärmabgabe touristische Flugverkehre von Düsseldorf nach Weeze, Dortmund, Münster und Paderborn zu lenken, hat die Lobby des Düsseldorfer Flughafens in Alarmbereitschaft versetzt. Aber auch viele der über 20 Millionen jährlichen Passagiere in Düsseldorf sehen darin eine Bevormundung. Gleichzeitig applaudieren viele der 1,5 Millionen Flughafen-Anwohner. Sie sehen in dem Grünen-Vorstoß erstmals seit Jahren eine echte landespolitische Unterstützung ihrer Angst vor noch mehr Krach: Immerhin will der Flughafen künftig in Spitzenzeiten 60 statt 47 Flugzeuge pro Stunde starten lassen.

Wirtschaftsmotor Düsseldorfer Flughafen
Foto: Weber

Antrag des Düsseldorfer Flughafens

Was sagt die Wissenschaft zum Vorschlag der Grünen? Von vier angefragten Instituten wollte sich nur eins dazu äußern. Das ist ungewöhnlich: Meist drängen sie gern mit Expertise zu populären Themen nach vorn. Zumal wenn eine politische Entscheidung dazu bevorsteht: NRW-Verkehrsminister Groschek (SPD) wird über den Antrag des Düsseldorfer Flughafens entscheiden. Selten lassen Institute sich da die Chance entgehen, ihre Relevanz mit öffentlichen Einschätzungen zu unterstreichen und sich so vielleicht als Gutachter zu empfehlen. Aber in diesem Fall winkten das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln (DLR), das Dortmunder Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und die RWTH Aachen ab. Nur das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) konnte das Grünen-Konzept einordnen.

Das zurückhaltende Interesse spiegelt sich auch in der Landespolitik. Deren aktuelle Luftverkehrsplanung basiert auf einem 16 Jahre alten Luftverkehrskonzept. Damals flogen in Düsseldorf noch 16,3 Millionen Passagiere pro Jahr, im vergangenen Jahr waren es 22,5 Millionen. In der Zwischenzeit hat der irische Billigflieger Ryanair dem lange defizitären Flughafen Weeze schwarze Zahlen beschert, hat der Flughafen Köln/Bonn den Frachtriesen DHL an Leipzig verloren und wurden die Flughäfen Dortmund, Münster und Paderborn zu Krisenadressen. Air Berlin, damals Hoffnungsträger sämtlicher NRW-Flughäfen, wurde zwischenzeitlich zum Sanierungsfall. Dass das NRW-Luftverkehrskonzept aus dem Jahr 2000 ausgedient hat, ist klar. Entsprechend hat Rot-Grün im Koalitionsvertrag 2010 auch ein neues versprochen. Aber nicht geliefert. Groschek will erst das neue Luftverkehrskonzept des Bundes abwarten.

Regionales Konjunkturprogramm

Der planerische Stillstand erklärt die Sprengkraft des Grünen-Vorschlages für die gesamte Branche. Mangels Alternativen ist das Konzept, das die Partei mit einem 235-seitigen Gutachten der Technischen Universität Chemnitz unterlegt hat, eine Vorschlagsskizze für das neue NRW-Luftverkehrskonzept: In Abhängigkeit von der Anzahl der Lärmbetroffenen, der Uhrzeit, des Abstandes zur Wohnbebauung und der Lautstärke der jeweiligen Turbine sollen die Fluggesellschaften künftig an allen NRW-Flughäfen unterschiedlich hohe Lärmabgaben zahlen müssen. Die von den Grünen erhoffte Folge: Die in dicht besiedeltem Gebiet operierenden Flughäfen Köln und Düsseldorf werden so teuer, dass vor allem touristische Billigflieger zu den Regionalflughäfen in der Provinz abwandern. "Damit bleibt die Funktion der Airports in Köln und Düsseldorf als Wirtschaftsmotor bestehen, und gleichzeitig haben wir ein regionales Konjunkturprogramm für Weeze, Münster, Paderborn und Dortmund", meint der verkehrspolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Arndt Klocke.

RWI-Konjunkturforscher Philipp Breidenbach glaubt das nicht. "Wir haben den Einfluss von Regionalflughäfen auf das regionale Wirtschaftswachstum untersucht", sagt der Wissenschaftler. "Der Ausbau von Regionalflughäfen in Deutschland zeigte dabei keinen nennenswerten Einfluss auf das Wirtschaftswachstum vor Ort."

Das sei aber eben nicht auf die internationalen Flughäfen Düsseldorf und Köln übertragbar. "Aufgrund der vielen Arbeitsplätze ist anzunehmen, dass es dort durchaus Effekte auf das Wirtschaftswachstum gibt." Das sei allerdings schwer nachzuweisen. Gleichwohl müsse die Politik dafür Sorge tragen, dass die Lärmbelästigung von Anwohnern minimiert werde. "Eine Lärmabgabe könnte theoretisch zu solchen Berücksichtigungen führen", so Breidenbach, "besser geeignet sind aber die schon bestehenden Anreize für die Nutzung lärmarmer Turbinen." Das würde den technischen Fortschritt gezielter fördern.

Der Flughafen Düsseldorf verweist gleich auf ein ganzes Bündel von Untersuchungen, die seinen positiven Einfluss auf die NRW-Wirtschaft belegen. Aber braucht er dazu wirklich noch mehr Flugverkehr? Schließlich stagniert die Zahl der Flugbewegungen dort seit mehreren Jahren, weil die Flugzeuge immer mehr Passagiere aufnehmen können. Ralph Beisel erklärt diesen Widerspruch so: "Es gibt vor allem Engpässe zu bestimmten Uhrzeiten. Es geht um mehr Spielraum in den Spitzenzeiten." Beisel ist Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV und vertritt die Interessen aller deutschen Verkehrsflughäfen - also auch die der Düsseldorfer Konkurrenten. Von der Verlagerungsidee der Grünen hält er trotzdem nichts. "Wenn man Fluggesellschaften schon nicht überzeugen kann, ein paar Stunden früher zu starten oder zu landen, wird man sie sicher nicht zu einem anderen Flughafen überreden können."

In Amsterdam scheint genau das zu funktionieren: Wegen eigener Engpässe hat der Flughafen Schiphol schon vor Jahren damit begonnen, Flüge an den 80 Kilometer entfernten Flughafen Lelystad auszulagern. Die Kooperation soll ausgebaut werden.

(RP)
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