Sexuelle Gewalt Vergewaltigung oder falsche Beschuldigung?

Mönchengladbach · 7345 Fälle von tatsächlicher Vergewaltigung und sexueller Nötigung hat die Polizei im Jahr 2014 bearbeitet. Regelmäßig werden aber auch Fälle bekannt, in denen vermeintliche Opfer falsche Anschuldigungen erheben. Nicht nur der aktuelle Fall in Mönchengladbach macht deutlich, wie schwierig die Ermittlungen oft sind.

 Am Platz der Republik wurde die Tat nach Schilderungen des Mädchens begangen. Die Polizei zweifelt.

Am Platz der Republik wurde die Tat nach Schilderungen des Mädchens begangen. Die Polizei zweifelt.

Foto: Theo Titz

Der Fall aus Mönchengladbach zeigt, was vorschnelle Verdächtigungen anrichten können. Hatte die Polizei zuerst noch mitgeteilt, ein 20-Jähriger habe dort eine 15-Jährige vergewaltigt, musste sie sich später korrigieren: "Die Vergewaltigung hat so nicht stattgefunden." Während die Aussage des Mädchens zunächst noch als glaubhaft eingestuft wurde, kommen den Ermittlern jetzt anscheinend starke Zweifel.

Der Fall ist weder in die eine noch in die andere Richtung aufgeklärt, und doch ist der Schaden für den Beschuldigten schon jetzt angerichtet. Die Polizei veröffentlichte ein Fahndungsfoto, das in den sozialen Netzwerken tausendfach geteilt wurde, nicht selten begleitet von Hass- und Gewaltkommentaren. Kurz darauf meldete sich der Beschuldigte freiwillig, die Polizei hat sein Fahndungsfoto mittlerweile aus dem Netz genommen. Aus dem Internet verschwunden ist sein Gesicht noch lange nicht.

Vergewaltigungen und Falschbeschuldigungen sind ein komplexes Thema. Im Jahr 2014 hat es laut Kriminalstatistik in Deutschland insgesamt 7345 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegeben. Das sind 63 Fälle oder 0,9 Prozent weniger als 2013. Die Aufklärungsquote liegt bei 81 Prozent, im Jahr 2013 waren es noch 82 Prozent.

Quoten schwanken erheblich

Eine bundesweite Analyse des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zur Strafverfolgung von Vergewaltigungsfällen hat ergeben, dass im Jahr 2012 nur 8,4 Prozent der Frauen, die eine Anzeige wegen Vergewaltigung gestellt haben, auch eine Verurteilung des Täters erlebten. 20 Jahre zuvor waren es noch 21,6 Prozent. Die Quoten schwanken je nach Bundesland dramatisch.

Dabei kommen die Täter deutlich häufiger als früher aus dem persönlichen Umfeld der Frauen. 2012 waren nur 18 Prozent der Tatverdächtigen Fremde für die Frauen. Das liegt auch an dem 1998 neu ins Gesetzbuch aufgenommenen Straftatbestand der ehelichen Vergewaltigung.

Dass immer mehr Fälle vor Gericht kommen, hat Folgen. Je größer die Arbeitsbelastung der zuständigen Ermittler, Staatsanwälte und Gerichte ausfällt, desto seltener enden Strafverfahren in einer Verurteilung, heißt es in der Studie.

Dadurch, dass sich das vermeintliche Opfer und der vermeintliche Täter deutlich häufiger als früher kennen, ergibt sich laut KFN ein Beweisproblem. Die beschuldigten Männer geben den Geschlechtsverkehr meist zu, berufen sich vor Gericht dann aber darauf, dass er einvernehmlich erfolgt sei.

Videos von Aussagen wichtig

Im Prozess kommt es dann sehr darauf an, welche Beweise für die Vergewaltigung vorliegen. Wichtig ist zudem, ob die Aussage der Frau auf Video oder Tonband aufgezeichnet wurde. "Auch die zehn Prozent, die sowas aus welchen Gründen auch immer erfinden, kann man mit Hilfe dieser Videos besser herausfinden", sagte Christian Pfeiffer vom KFN bei der Vorstellung der Studie.

Andere Experten schätzen die Fälschungsquote höher als zehn Prozent ein. Klaus Püschel vom Rechtsmedizinischen Institut Hamburg sagte der "Zeit", im Jahr 2009 hätten sich 27 Prozent der angeblich Vergewaltigten bei der ärztlichen Untersuchung als Scheinopfer erwiesen. Sie hatten sich ihre Verletzungen selbst zugefügt. In 33 Prozent der Fälle habe es sich zweifelsfrei um echte Opfer gehandelt, bei den restlichen 40 Prozent sei die Rechtsmedizin zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen.

Die Kriminalstatistik hat für das Jahr 2014 insgesamt 10.791 Fälle einer vorgetäuschten Straftat verzeichnet. Dabei ist natürlich keine Aussage darüber getroffen, um welche Straftat es sich im einzelnen gehandelt hat. Außerdem ist die Zahl rückläufig: Es sind vier Prozent weniger als noch im Jahr 2013.

Prominente Beispiele

Prominente Fälle befeuern die öffentlichen Diskussionen. Der Fernsehmoderator Andreas Türck wurde 2004 wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung angeklagt. Auch wenn er freigesprochen wurde, hatte sein Ruf schweren Schaden genommen.

Der wohl prominenteste Fall ist der von Jörg Kachelmann. Der Wettermoderator wurde ab 2010 beschuldigt, eine Geliebte vergewaltigt zu haben. Der Prozess endete im Freispruch, obwohl das Gericht nicht vollständig von der Unschuld Kachelmanns überzeugt war.

Es bestünden aber begründete Zweifel an der Schuld von Kachelmann. Er sei deshalb nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" freizusprechen, hieß es in dem Urteil. Seitdem zieht Kachelmann auf einem Feldzug gegen Falschbeschuldigungen durch die deutschsprachige Medienlandschaft.

Einer der jüngsten prominenten Beispiele in Deutschland ist das von Unterhalter Karl Dall. Er war im Dezember 2014 vom Vorwurf freigesprochen worden, eine rund 30 Jahre jüngere Schweizer Journalistin vergewaltigt zu haben. Es lägen keine hinreichenden Beweise gegen ihn vor. Das Gericht sprach Dall eine Entschädigung von etwa 8300 Euro zu.

In Mönchengladbach hat die Kriminalpolizei nun ein Verfahren wegen Vortäuschung einer Straftat eingeleitet. Der Fall sei aber noch nicht aufgeklärt, es werde weiter ermittelt, wie ein Polizeisprecher sagte. "Es gibt Fakten, die wir noch nicht kennen", sagte der Staatsanwalt.

(lukra)
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