Privatkelterei aus Hamminkeln Im Schloss Bellevue trinkt man Saft vom Niederrhein

Hamminkeln · Die Privatkelterei van Nahmen hat sich mit besonderen Säften einen Namen gemacht. Ein Apfelsaft ersetzt in der gehobenen Gastronomie sogar den Wein. Auch im Schloss Bellevue schätzt man die Produkte aus Hamminkeln.

 Sabine und Peter van Nahmen auf einer Streuobstwiese.

Sabine und Peter van Nahmen auf einer Streuobstwiese.

Foto: Van Nahmen

Peter van Nahmen verschwendet keine Zeit. Zügigen Schrittes eilt er herbei und grüßt freundlich. Doch bevor das Gespräch beginnen kann, rückt er näher ans Fenster. "Hier ist der Blick doch gleich viel besser. Streuobstwiesen sind mein Lieblingsthema", sagt van Nahmen und zeigt nach draußen: "Das Gelände dort gehört der Kirchengemeinde, die vier jungen Apfelbäume haben wir zusammen anlässlich des Katholikentags im Mai gepflanzt."

"Eine Anlage für die Zukunft"

Wenn es um Obstbäume geht, ist Peter van Nahmen in seinem Element. Alle vier Sorten haben einen katholischen Bezug: Kardinal Bea, Salemer Klosterapfel, Bischofshut und Korbiniansapfel. "Apfelsorten sind oft nach Namen, Aussehen oder Personen benannt", sagt van Nahmen. Die Sorten zu kennen ist für ihn so selbstverständlich wie das Pflanzen der Bäume selbst. "Ein Baum ist eine Anlage für die Zukunft und die nächste Generation."

Peter van Nahmen ist 2005 in den Familienbetrieb in Hamminkeln eingestiegen, den er liebevoll seinen "kleinen Saftladen" nennt. 2013 löste er seinen Vater Rainer ab und führt seither den Betrieb mit seiner Frau Sabine. Van Nahmen setzt die Tradition fort, die sein Vater begonnen hat: die Förderung der Streuobstwiesen in der Region. "Zum 100-jährigen Firmenbestehen im letzten Jahr haben wir angefangen, 100 Bäume zu pflanzen, jeder eine andere, alte Sorte", sagt van Nahmen. "60 Stück haben wir schon."

Die Idee kam gut an

Die Initiative, die Rainer van Nahmen zusammen mit dem Naturschutzbund in den 1980-ern startete, sah folgendes vor: Privatleute und Landwirte konnten ihre Äpfel von Streuobstwiesen zu einem höheren Preis an van Nahmen verkaufen. Dafür bekamen sie zusätzlich einen Anteil des Saftes: 40 Flaschen mit je 0,7 Litern für 50 Kilogramm Äpfel. Die Idee kam gut an, inzwischen unterstützt van Nahmen alle Partner zweimal im Jahr mit einer Pflanzaktion. Dabei können Besitzer von Streuobstwiesen und solche, die es werden wollen, auf einer Liste die Sorten aussuchen und die Jungbäume im Anschluss auf dem Hof der Obstkelterei abholen. "Dank der höheren Preise sind die Leute auch wirklich motiviert, sich um ihre Wiese zu kümmern", sagt van Nahmen. "Die meisten denken bei Streuobst immer an Fallobst."

Eine Streuobstwiese sei eine lockere Ansammlung von zehn bis 15 Hochstammbäumen, die nicht professionell bewirtschaftet werden. Die hohen Bäume eigneten sich nicht für eine maschinelle Ernte und seien daher zunehmend verdrängt worden. "Früher gab es in der Nähe von Bauernhöfen immer Streuobstwiesen", sagt van Nahmen. Die Bauern hätten im Sommer einen schattigen Weideplatz für ihre Rinder gehabt und bis weit ins Frühjahr hinein Äpfel im Keller. "Die alten Sorten waren alle Hochstamm", sagt van Nahmen. "Sonst hätten die Rinder ja nicht drunter herlaufen können." Wenn ein Baum mal alt wurde und ein Ast abbrach, sei das entstandene Loch ein prima Nistplatz gewesen. Den nutzten dann zum Beispiel Käuzchen, um auf Mäusejagd zu gehen. "Und weil die grasenden Rinder die Wiese kurz hielten, waren die Mäuse auch gut sichtbar, so griff alles ineinander", sagt van Nahmen.

"Tiefpunkt der Streuobstwiesen"

Diese kleinen Biotope wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aber immer weniger, bis in den 1960-er Jahren sogar eine Abholzprämie kam, um mehr Platz für den konventionellen Anbau zu schaffen. "Da war sozusagen ein Tiefpunkt der Streuobstwiesen erreicht", sagt van Nahmen. "Zum Glück haben nicht alle mitgemacht."

Bevor Peter van Nahmen in den Familienbetrieb wechselte, arbeitete er unter anderem bei einem Weinhändler. "Von da habe ich auch meine Idee der sortenreinen Säfte mitgebracht, bei Weinen gibt's das ja auch", sagt er. Anfangs hätten sie ihn komisch angeschaut, als er 2006 das erste Mal mit der Idee spielte. ",Mach du mal, haben sie gesagt." Aber dem Aufruf, zum Streuobstwiesenfest 2007 besondere Sorten mitzubringen, sind damals viele gefolgt. Vor allem die rote Sternrenette - früher als Weihnachtsapfel bekannt - hätten viele mitgebracht. "Die Renette hat unglaublich viele Fans am Niederrhein, daraus haben wir den ersten sortenreinen Apfelsaft gepresst", sagt van Nahmen.

Das Ergebnis: 7409 Flaschen und eine Idee, die von da an immer größere Kreise zog: Rheinischer Bohnapfel, Kaiser Wilhelm, Jonagold und Schöner von Boskoop heißen nur einige der insgesamt 30 sortenreinen Säfte. Dabei ist Apfel bei weitem nicht gleich Apfel, die Unterschiede sind deutlich: Der Rheinische Bohnapfel hat ein ausgeprägt mildes Süße-Säure-Verhältnis, Jonagold überrascht mit dem fast völligen Fehlen von Säure. Die Auswahl ist mit 30 sortenreinen Äpfeln schon jetzt groß. Peter van Nahmen testet aber weiter, pro Jahr prüfe er zehn bis zwölf weitere Sorten, ob sie das Zeug zum Saft haben. Eine dieser Kreationen ist die Wilde Pflaume. Die Früchte dafür kommen aus Piemont in Italien. "Die Bauern dort spannen Netze und warten, bis die Pflaumen herunterfallen, wenn sie reif sind." Der Saft ist dunkelrot, erinnert im Geschmack entfernt an Amarenakirschen und hat nur sehr wenig Säure. "Den kann man wie einen trockenen Rotwein zu Wild und Lamm trinken", sagt van Nahmen.

Vom KaDeWe bis zum Alsterhaus

Die Familiengeschichte der van Nahmens ist seit fünf Generationen tief mit dem Niederrhein und dem Apfel verbunden. Das Grundstück, auf dem die Obstkelterei steht, war schon Ende des 19. Jahrhunderts in Familienbesitz. 1917 gründete Wilhelm I. van Nahmen die rheinische Apfelkrautfabrik und legte damit den Grundstein für die spätere Obstkelterei. Wilhelm II. van Nahmen presste 1930 die ersten Apfelsäfte, wurde 1952 offizieller Saftlieferant der deutschen Olympioniken und verschaffte seinem Namen damit große Popularität. Die Säfte finden sich heute im Berliner KaDeWe und im Hamburger Alsterhaus, aber auch im noblen Harrods in London.

Mittlerweile genießen die Säfte vom Niederrhein auch präsidialen Segen. Vor ein paar Jahren entschied sich der Küchenchef des Bundespräsidenten, einige Gerichte mit Quittennektar von van Nahmen zu veredeln. Weil es dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler schmeckte, sind die Niederrheiner seither Stammgast beim Sommerfest auf Schloss Bellevue und präsentieren dort ihre Kreationen. Viel Ehre für einen "kleinen Saftladen".

(cha)
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