Kölner Silvesternacht Streit um Kontrollen nach Herkunft

Berlin/Düsseldorf · Ihr gezieltes Vorgehen gegen Nordafrikaner hat der Kölner Polizei Rassismus-Vorwürfe eingebracht. Ein internes Polizeipapier belegt, dass die Fahndung nach Nationalitäten in NRW längst gängige Praxis ist.

Köln: Polizei-Großeinsatz vor dem Dom an Silvester 2016
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Polizei-Großeinsatz zu Silvester 2016 in Köln

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Foto: Arton Krasniqi

Das Einkesseln mehrerer Hundert Nordafrikanern und deren gezielte Kontrolle durch die Polizei in der Kölner Silvesternacht haben eine bundesweite Rassismus-Debatte ausgelöst. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte den Polizeieinsatz und forderte eine unabhängige Untersuchung. Bei den Linken gab es geschlossene, bei den Grünen vereinzelte Kritik am Vorgehen der Kölner Polizei.

Fotos: So feierte Köln Silvester 2016
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So feierte Köln Silvester

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Foto: dpa, hka lof

Nach den sexuellen Ausschreitungen im Vorjahr hatte die Kölner Polizei in der Silvesternacht mehrere Gruppen von nordafrikanischen Männer am Hauptbahnhof festgesetzt. Kritiker werfen der Polizei vor, das wichtigste Entscheidungskriterium dafür sei die Herkunft dieser Personen gewesen. "Bei dem Einsatz handelte es sich also eindeutig um Racial Profiling", sagte Amnesty-Experte Alexander Bosch.

Während die Grünen-Chefin auf Bundesebene, Simone Peter, das Vorgehen der Kölner Polizei am Vortag noch scharf kritisiert hatte, relativierte sie ihre Äußerungen am Montag deutlich. Dass sich die Übergriffe der Silvesternacht 2015 nicht wiederholten, sei auch der gut vorbereiteten Polizei zu verdanken, schrieb Peter auf ihrer Facebook-Seite. Zuvor hatten sich selbst Parteifreunde irritiert über Peters Polizeischelte gezeigt. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, und andere Parteikollegen positionierten sich deutlich vorsichtiger als Peter.

Weitere Politiker auf Bundes- wie auf Landesebene distanzierten sich von der Polizei-Kritik. "Hätte nach Vorstellung der Grünen die Kölner Polizei diese Gruppen passieren und stattdessen Großeltern kontrollieren sollen, die mit ihren Enkeln unterwegs waren?", fragte der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Stephan Harbarth. "Das widerspricht jeder Lebenserfahrung." Er forderte eine Sondersitzung des Bundesrats "noch in der ersten Januarhälfte", um die drei Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte, der Einsatz Polizei sei in seinen Augen "nicht kritikwürdig."

Silvester in Köln: Lichtshow auf der Domplatte
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Lichtinstallation am Silvesterabend am Kölner Dom

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Foto: dpa, obe ole

Nach Recherchen unserer Redaktion ist das gezielte Vorgehen der Polizei gegen bestimmte Nationalitäten in NRW nicht erst seit Silvester gängige Praxis. In einem vertraulichen Fahndungsblatt "Mobile Täter im Visier (Motiv)", das das Landeskriminalamt für die Streifenpolizisten in NRW verfasst hat, heißt es: "Die Staatsangehörigen der Motiv-Tatverdächtigen sind vorwiegend rumänisch, deutsch (häufig mit Migrationshintergrund) sowie in steigender Anzahl marokkanisch". Zu "nordafrikanischen Tatverdächtigen" heißt es, sie begingen insbesondere Raub-, Körperverletzungs- und Taschendiebstahlsdelikte.

Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, das Vorgehen sei kein "Racial Profiling", weil es lediglich "auf der Grundlage von Einsatz- und Ermittlungserfahrung beschreibt, was ist". Thomas Feltes, Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, hält ein solches Fahndungsblatt dennoch für "schlimmste Vulgärkriminologie". Derartige Vorgaben würden den Polizeistreifen "suggerieren, dass die Polizeiführung in NRW nicht viel Wert auf Differenzierung legt".

Innenminister Ralf Jäger hatte die Anwendung von "Racial Profiling" in NRW stets bestritten. Der CDU-Polizeiexperte Gregor Golland wirft ihm nun Unglaubwürdigkeit vor. "Wie auch immer Jäger das Racial Profiling selbst definiert — offenbar macht er genau das und handelt damit anders, als er behauptet."

(mar)
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