Prozess um Angriff bei Fußballspiel "Sie haben auf alles eingeschlagen, was sich bewegte"

Aachen · Acht Männer stehen seit Montag in Aachen vor Gericht, weil sie im Herbst in Jülich ein Bezirksligaspiel gestürmt und auf die Spieler eingeprügelt haben sollen. Zehn Menschen wurden verletzt. Hintergrund soll eine Clan-Fehde gewesen sein.

 Acht Männer müssen sich vor Gericht verantworten.

Acht Männer müssen sich vor Gericht verantworten.

Foto: dpa, obe vge

Ercan Y. (42, Namen geändert) sitzt mit seinem 21-jährigen Sohn Jimmy auf der Anklagebank in Saal A 0020 des Landgerichts Aachen. Auch Ercan Y.s Bruder Mesut (34) ist wegen schwerer Körperverletzung angeklagt, dazu kommen fünf weitere Männer zwischen 22 und 36 Jahren. Zum Start des Verfahrens um den so genannten Jülicher Sportplatzüberfall gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen im Justizgebäude. Alle Zuschauer müssen ihre Taschen abgeben, ein gutes Dutzend Polizisten und Justizbeamte ist im Saal.

Die Anklage wirft den Männern vor, am 6. November vergangenen Jahres in einer Gruppe von etwa 30 Männern ein Spiel des SV Grün-Weiß Welldorf-Güsten gegen die Sportfreunde Düren auf einem Fußballplatz in Jülich gestürmt zu haben. Ercan Y. soll den Angriff mit deftigen Worten und dem Aufruf "Stürmt!" angeführt haben. Mit Baseballschlägern und Eisenstange bewaffnet sollen sie wild auf die Spieler eingedroschen und auch dann noch zugetreten haben, als einige schon am Boden lagen. Im Blick hatten sie vor allem einen deutsch-libanesischen Spieler, mit dem ein Freund der Angeklagten zwei Tage zuvor auf offener Straße aneinandergeraten war. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Platzsturm ein Racheakt der Angeklagten war, die überwiegend türkische Wurzeln haben. Die Ehre des Freundes sollte wieder hergestellt werden. Dass auch viele Frauen und Kinder am Spielfeldrand waren und Unbeteiligte verletzt wurden, nahmen die Angeklagten laut Anklage in Kauf. Ein Zeuge sagte damals: "Sie haben auf alles eingeschlagen, was sich bewegte."

"Sie wollten sich rächen"

Zehn Menschen wurden verletzt, einer hatte eine gebrochene Nase und einen gebrochenen Finger, einer einen zertrümmerten Fußknöchel, die meisten mussten mit Prellungen, Schürf- und Platzwunden in Krankenhäuser. Der Staatsanwalt sagt: "Sie wollten sich rächen und möglichst viele verletzen, die zu dem deutsch-libanesischen Spieler gehörten."

Alle Angeklagten sind am ersten Prozesstag bereit, etwas zu ihrem persönlichen Hintergrund zu sagen. Ercan Y. hat neben seinem ältesten Sohn Jimmy sieben weitere Kinder, das Jüngste ist vier Jahre alt. Der 42-Jährige war mal Auto-, mal Gemüsehändler und ist laut eigener Aussage pleite. Jimmy Y. war mal Verkäufer, mal Gabelstaplerfahrer, er hat seine Lehre zum Zerspanungsmechaniker geschmissen, weil es "viele Probleme gab". Eine andere Stelle hat er gekündigt, weil ihm 1600 Euro netto zu wenig waren. Jetzt ist er arbeitslos. Angeblich hat er eine neue Ausbildungsstelle in Aussicht, sein Verteidiger wedelt mit einem entsprechenden Papier, das als Nachweis gelten soll.

Geständnisse bei der Polizei abgelegt

Auch die anderen Angeklagten sind arbeitslos, machen Gelegenheitsjobs. Ein 23-Jähriger lässt seinen Verteidiger für sich sprechen. "Mein Mandant muss sich erst akklimatisieren", sagt der. Der Mandant sei noch jung und unerfahren, "es ist ein bisschen stressig für ihn".

Der Verteidiger eines 27-Jährigen führt die Hobbys seines Mandanten an: "Fußball, schwimmen, Bücher lesen." Vier der acht Angeklagten wurden vor dem Prozess gegen Zahlung von Kautionssummen in bis zu fünfstelliger Höhe von der Untersuchungshaft verschont, nachdem sie bei den polizeilichen Vernehmungen Geständnisse abgelegt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die Entlassung aus der Untersuchungshaft Beschwerde eingelegt — zwei der Angeklagten werden am Montag noch im Saal wieder verhaftet. Einer dreht sich zum Staatsanwalt und klatscht langsam ein paar Mal in die Hände, bevor die Justizbeamten ihn in der Pause abführen.

Am Nachmittag legen fast alle Angeklagten Teilgeständnisse über Erklärungen ihrer Anwälte ab. Ercan Y. etwa räumt einen Tritt ein, bewaffnet sei er nicht gewesen. "Das Schlimmste ist für ihn, dass er seiner Familie so viel Schmerz zugefügt hat", heißt es in der Erklärung.

Ein 23-Jähriger sagt, "nur auf Arme oder Beine geschlagen zu haben". Die Untersuchungshaft mache ihm zu schaffen. "Das ist kein Platz, an dem man leben will". Bei den Opfern möchte er sich entschuldigen, sagt sein Verteidiger. Ercan Y.s Bruder sagt, er sei nicht davon ausgegangen, "dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung auf dem Platz kommt". Er sei nur mitgefahren, "um das Gesicht nicht zu verlieren ".

Den Angeklagten drohen Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Ein Urteil wird für den 19. Mai erwartet.

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